1
Mrz
2008

Ein Fall für die Psychiatrie.

Mein Freund - einer meiner allerfeinsten - übt einen der vermutlich anstrengendsten Jobs aus, die man sich überhaupt vorstellen kann: er ist psychiatrischer Krankenpfleger. Und aus dieser seiner Berufswelt erzählt er mir manchmal "Geschichten", die einen verzweifeln lassen könnten - hätte man nicht so wie er von der Pike auf gelernt, damit umzugehen und sich letztlich auch ein stückweit abgrenzen zu können. Nicht so weit, dass einem die innere Beteiligung und damit auch die Motivation abhanden käme, aber doch so weit, dass man selbst keinen "Schaden" davonträgt.

Allerdings: die Probleme, von denen mein Freund sich da abgrenzen muss, sie hätten gar nicht primär mit seinen Patienten zu tun, seine Patienten seien nämlich noch die normalsten Menschen, mit denen er so den ganzen Tag konfrontiert sei, so meint er, mit einem kleinen Augenzwinkern - und einer ziemlichen Portion Ernst.

Und als er unlängst beim abendlichen Bier mir gegenüber erwähnte, dass viele seiner Patienten den ganzen Tag oft nur noch damit zubringen würden "zu rauchen - sonst bleibt denen nix", da hake ich nach: Naja, aber wird da nicht auch versucht, sie dazu zu animieren, ihren Tag mit etwas Sinnvollerem zu füllen? Theoretisch schon ja, antwortet er mir, nur praktisch fehle das Geld dafür hinten und vorne - alles, was über die reine Finanzierung einer "Unterbringung" hinausgehe, würde mit dem Verweis auf die fehlenden Mittel zunehmend abgedreht, nicht mehr finanziert, leise entsorgt. Wobei: auch die Qualität der "Unterbringung" müsse man einschränken: seinem Haus werde von fachkundiger Seite prognostiziert, dass es in spätestens 10 Jahren so baufällig sein werde, dass man es räumen werde müssen. Dagegen unternommen werde "gar nichts".

Aber apropos, diese Teeküche in seinem Bereich: die habe man nun nach einem geradezu affenartigen Hürdenlauf, einer "Odyssee" durch alle internen Instanzen, mit der er einen 200-seitigen Roman füllen könnte, endlich erneuern lassen. Die Geräte seien nun - entgegen den Vorstellungen der beglückten Mitarbeiter - nur vom Allerfeinsten und Teuersten, und alles sei nach Maß getischlert, denn wenn die zuständigen Stellen tatsächlich einmal tätig würden, dann könne ihren Qualitätsvorstellungen auch niemand einen Riegel vorschieben. Diese Küche hätte man unter Berücksichtigung der eigentlichen Anforderungen bei einem Diskonter um unter € 1.000,- erwerben können, so meint er, tatsächlich habe man ein Vielfaches dafür ausgegeben.

Tja, das stimmt wohl, denke ich. Und für die dafür notwendige interne "Odyssee", für die veranschlage ich dir, mein Freund - der mir das Thema Prozesskostenrechnung nicht ganz fremd ist - aus dem Bauch heraus nochmal einen Faktor 5 deines vielfach überhöhten Kaufpreises an weiteren, internen Kosten - aber mindestens... und wenn du dann noch dazuzählst, wieviel Arbeitszeit dir die an allen Ecken und Enden krachende Infrastruktur schon in diesem kleinen Mini-Bereich "Teeküche" laufend kostet, wieviel Zeit der teuerst ausgebildeten Pflegefachkräfte nach deinen Berichten laufend für Handlangertätigkeiten bis zum Mülleinsammeln draufgeht, weil hint und vorn nix funktioniert... wir können das in Wahrheit gar nicht mehr schätzen, wieviele Aberzehntausende Euro diese Teeküche deinen Schildarungen gemäss gekostet haben muss...

Die Teeküche steht für meinen Freund für ein ganzes System. Ein System, das er in- und auswendig kennt. Und er - in der Wolle rot gefärbt von Kindesbeinen an - er plädiert mittlerweile für Versicherungspflicht statt Pflichtversicherung. In der Hoffnung, dass ein bisschen mehr Wettbewerb zur Gesundung beitragen könnte. Das derzeitige System sei nämlich schlicht und einfach krank - ein Fall für die Psychiatrie gewissermassen.

Und die Patienten, für die unser aller Mittel eigentlich vorgesehen wären? Die rauchen sich bis dahin vermutlich halt mal eben eine an. Denn es wird wohl schon noch ein Weilchen dauern, bis man die baufällig gewordene Bastion dann irgendwann räumen wird müssen...

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Frau Echse - 9. Mär, 19:04

ich bin krankenschwester für psychiatrie und sag mal einfach zu deinem bericht:
ja, ganz genau so sieht es aus.... und es ist schade das ich keine fotos machen darf von den räumlichkeiten in denen unsere psychisch schwerstkranken patienten gesund werden sollen. unfassbar!
aber der dienstwagen und das teakholzbüro des verwaltungschefs ist schon verdammt schick.

maschi - 9. Mär, 20:39

mir ist auch - gerüchteweise - zu ohren gekommen, dass mitarbeiterInnen durch die blume gesagt "untersagt" sein soll, über die zustände nach "aussen" zu kommunizieren, geschweige denn fotos zu machen - so diese regelung existiert, eine für mich äusserst fragwürdige anordnung, denn schlussendlich handelt es sich hier nicht um irgendein privatunternehmen, sondern um das öffentliche gesundheitswesen. und man sollte doch als naiver und zahlender staatsbürger (aka "miteigentümer") annehmen dürfen, dass man über die angebotenen dienstleistungen umfassend informiert werden darf. ich schätze mal, dass solch ein maulkorberlass in der öffentlichkeit nicht so gut ankäme... und die maulkorberlasser kämen schon gar nicht gut an...
Shaman (Gast) - 18. Mär, 14:51

Spitzenmedizin !

Ich werde mich hier jetzt nicht auf 200 angedrohte Seiten (mindestens !), die über lustige, weniger lustige, unglaubliche, wahnsinnig irre, total hirnrissige, idiotische, manchmal gefährliche, steuergelderverschwenderischen... öhm, sagen wir mal, für mein einfaches Basismitarbeiter-Hirn nicht nachvollziehbare, Geschichten auslassen, weil:
PSSSSSSCCCCCHHHHT !

Nur nicht drüber reden/schreiben - das wäre ja unloyal gegenüber dem Arbeitgeber und - so sagt man uns - schadhaft für das Ansehen der Psychiatrie, deren Mitarbeiter, des KAV´s, des Gesundheitssystems, der österreichischen Politik usw. - als braver Vertragsbediensteter nehm ich solche, von Stellen wie Qualitätsmänätschment, Direktion, KAV usw., geforderten, Anweisungen natürlich sehr ernst, denn was weiß/wissen ich/wir dummen Steuerzahler denn schon über die Notwendigkeit von unsinnigen Strukturen und Geldverschleudereien - stärkt ja alles unsere Wirtschaft (wenn z.B. 3 lohnempfangende Facharbeiter nötig sind um einen Bilderhaken in die Wand zu setzen (ein Hammerträger, ein Nagelverwahrer und ein Supervisor oder so ähnlich...) um nur ein winziges, kleines harmloses Beispiel zu nennen)

Die jüngsten Medial-Attacken sind lediglich ein Politikum, vieles davon ist einfach erfunden, manches stimmt – die „Verbesserungs“-Reaktionen machens zum Teil nur noch schlimmer.

Tja, da hat man halt ein paar Jahre geschlafen und Mitarbeiter-Anliegen und Beobachtungen nicht ernst genommen bzw. zurückgeschmettert.

Deine Formulierung „vermutlich anstrengendsten Job“ kann ich nicht ganz bestätigen, denn der Job an Sich wär ja o.k. – das Problem sind die „Machthaber“, die (Miss-)Strukturen, die Hierachien, das hoch zelebrierte Spezialistentum und die vielen vielen „IchBinNichtZuständigBüroSitzer“.
Die Arbeit mit den Patienten, Klienten, Konsumenten (Steuerzahler !) ist das geringste Problem.

Einziger Trost: in anderen Großfirmen läufts nicht anders.
Kein Trost: in dem Fall handelt es sich um unser Gesundheitssystem und betrifft uns alle (außer jene Großentscheider, die ihre Oma zusatzversichert in privaten 5Sterne-Betreuungsstellen unterbringen können....)

Letztens entdeckt: ein Werbeplakat (in dem Fall SPÖ, is aber im Grunde egal - bin ja selbst, wie oben zu lesen ist,"in der Wolle rot gefärbt von Kindesbeinen an") direkt vorm Haupteingang des mediengebeutelten OWS mit dem Text: „Wussten Sie dass ... Wien in Europa die... (jetzt kommts)... Nummer 1 in Spitzenmedizin und Betreuung ist ? - ??? (http://www.wusstensiedass.at/)

Bin beeindruckt und empfinde Mitleid mit unseren EU-Nachbarn, aber Einer muß der Beste sein !

Ein noch nicht ausgebrannter Psych.-Pfleger ;-)

*OWS – Otto Wagner Spital
*KAV - Krankenanstaltenverbund

maschi - 21. Mär, 16:18

Bleibt ja nur noch eine Frage offen: Hammerträger, Nagelverwahrer, und wer bitteschön trägt das Bild? Orte ich hier eine unzulässige Verletzung der Arbeitsplatzbeschreibung des Supervisors?
shaman (Gast) - 25. Mär, 12:52

Wer das Bild trägt ?
Hab ich geschrieben, daß die Monteure dafür zuständig sind ?!
Nein.
Die machen nur das Loch.
Nachdem fürs Bild selbst niemand zuständig bzw. ausgebildet wurde, wird dieses, wie alle Dinge für die niemand zuständig ist, vom Pflegepersonal aufgehängt... außer man braucht eine Leiter, weil auf eine Leiter dürfen wir während der Dienstzeit nicht steigen (Wg.Arbeitsunfall usw.) - war ja nicht ins Ausbildungskonzept eingebunden...
Vielleicht kommt dann ein diplomierter Leiterträger, Leiteraufsteller, Leitersteiger und Bildreicher - also 4 Leute !

;-)

shaman (Gast) - 6. Jun, 11:48

Topmedizin

Überall wird unsere Topmedizin (Europas Beste !) von den Politikern propagiert.
Das OWS ist ein Erwachsenenspital (gewidmet für ab 18-jährige)
Die Psychiatrie wird verkleinert, denunziert, abgelehnt.
Der Bedarf ist aber im steigen.
Alles was aber zählt ist Geldsparen und die Bettenauslastung.

Jetzt trugs sichs zu:
Erstmals in der 101jährigen Geschichte des OWS wurde (Außer während der NS-Zeit) ein 10-jähriges Kind auftgenommen !!!
Alle Kinder und Jugenpsychiatrien seien voll, kein Platz, und unsere Unerversitätsklinik das AKH hat abgelehnt (hat keine Versorgungspflicht - muß nur forschen und den Großteil des Gesundheitsbudgets verbrauchen um in den medien glänzen zu können...)
Ich find das untragbar !
Muß ja nicht anmerken daß die Erwachsenen-Psychiatrie kein Umfeld für Kinder darstellt.

Topmedizin !

maschi - 11. Jun, 11:53

Und der nächste traurige Fall samt folgendem Medienspektakel in einem System kompletter Überforderung aller Beteiligten...
bastille

brainstorming the bastille?

Geistig erstarrten Bastionen begegnen wir nicht nur in der Politik, sondern beinah überall... nicht zuletzt auch in uns selbst. Und so bleibt aber die ständige Herausforderung, sie immer wieder neu zu erstürmen.

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