20
Mai
2008

Hochmoralisch.

Vor ein paar Wochen war ich im Rahmen einer Gesprächsrunde mit Tiefgang mit der Aussage konfrontiert, ich würde "hochmoralisch" argumentieren.

Ohne jetzt auf den konkreten Anlassfall eingehen zu wollen, hat mich die Aussage an sich beschäftigt. Mir ist die Linie ja nicht unbekannt: Die hehre Moral auf der einen Seite, der schwache Mensch auf der anderen. Wenn man "moralisch" argumentiert, wird man schnell auch zum (Moral-)Apostel - denn da kann der normale Mensch ja einfach - und sozusagen klarerweise - nicht mit, da sei er einfach überfordert, und man müsse eben die menschlichen Realitäten sehen.

Um Missverständnissen vorzubeugen, sei an dieser Stelle eingeflochten: von der falsch verstandenen, überkommenen Moral ist hier nicht die Rede, sondern von dem, was wir "eigentlich", wenn wir entweder ein bisschen nachdenken oder eben auf unser "Gewissen" hören fast alle für "gut" und "richtig" halten.

Und also zurück zu den Realitäten, die bei der Kritik an der "hochmoralischen" Haltung dann meist mitschwingen: moralisch zu handeln sei potentiell auch selbstschädigend, zumindest, wenn es ein gewisses Mass überschreite - da müsse man sozusagen die Balance im Auge behalten, das richtige Mass an Moral finden, damit man nicht nur der "Dumme" sei - und dann "übrig" bleibe.

Aber, was genau ist eigentlich "Moral" in dem hier gemeinten Sinn?

Moral ist nichts anderes als eine nicht jeden Tag neu zu erfindende Verhaltensrichtschnur - sie ist wenn man so will die materialisierte Lebenserfahrung der Vergangenheit. Was für uns selbst - über den einzelnen Tag hinausgedacht - das Beste und daher im doppelten Sinn des Wortes "gut" ist, ist nicht immer so einfach und mit vollem Bewusstsein zu erkennen. In diesem Sinn hat "Moral" daher auch eine genetische/biologische Bedeutung. Unser von der Evolution herausgebildetes "Gewissen" gibt uns in Form von Unbehagen bereitenden Botenstoff-Ausschüttungen Signale dafür, was wir im konkreten Fall tun sollten. Das ist natürlich kein Zufall, sondern die Natur hat sich im übertragenen Sinn des Wortes "natürlich etwas gedacht dabei": um mittel- und langfristig das für sich selbst Beste und Vorteilhafteste und damit auch aus Sicht der nach Selbsterhaltung strebenden Gene "Vernünftigste" zu tun benötigt das sich selbst für ach so klug haltende menschliche Individuum eben ein wenig Hilfestellung...

Und das ist der Blick auf "Moral" und "Gewissen", den ich daher anbieten möchte: des Menschen vielleicht rudimentäres, aber doch gegenüber vielen anderen Spezies verbessertes Vermögen, mittel- und langfristige Überlebensvorteile zu erzielen, fusst auf Gewissen und Moral, sie ist eine im wahrsten Sinn des Wortes überlebensnotwendige Ergänzung der reinen Vernunft, die auf dem gegenwärtigen Stand biologischer Entwicklung nur sehr wenige Schritte im Voraus zu kalkulieren imstande ist. "Moral" und "Gewissen" von unserer Gesamtpersönlichkeit abzuspalten und als etwas zu sehen, das irgendwelche Autoritäten von uns haben wollen, ansonsten unserem Fortkommen aber eher abträglich sei, ist eine letztlich unvernünftige und potentiell gefährliche Sache: mit allzu hoher Wahrscheinlichkeit werden wir selbst es sein, die den Schaden solch dummen Handelns davontragen werden.

Ja: wir dürfen und sollten auf unser Gewissen hören. Kein falscher Glaube daran, dass uns das doch "schaden" könnte, sollte uns dabei bremsen. "Hochmoralisch" zu sein lässt sich mit höchst individuellem Nutzen argumentieren. Und: wir wollen doch alle nur das Beste für uns, oder?
bastille

brainstorming the bastille?

Geistig erstarrten Bastionen begegnen wir nicht nur in der Politik, sondern beinah überall... nicht zuletzt auch in uns selbst. Und so bleibt aber die ständige Herausforderung, sie immer wieder neu zu erstürmen.

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martin[@]schimak[.]at
VIENNA, AUSTRIA

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shaman (Gast) - 27. Nov, 14:47
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maschi - 26. Nov, 22:14
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aber Misik ist für mich ein rotes Tuch. Ich kann seine...
weltbeobachterin (Gast) - 26. Nov, 19:44

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