11
Aug
2008

Weg mit den Radio Buttons.

So, jetzt bin ich ja schon mal in Abschaffer-Laune (Weg mit der 4% Hürde), und werde natürlich nicht ganz zu Unrecht kritisiert, dass dies ja aber wohl nichts am politischen Grundproblem Österreichs ändere: ein emotionalisiert-spinnertes Potential von 20% der Wähler wählt einen gegen seine eigenen Interessen agierenden rechten Rand.

Daher möchte ich heute mal eine eher unbekanntere Wahlrechtsvariante andiskutieren, die meiner Ansicht geeignet wäre, an diesem politischen Grundproblem Österreichs zumindest so weit zu drehen, dass zwar wohl deshalb nicht sofort Heilung einträte, aber doch ein lebenslanges Leben mit der Krankheit möglich werden würde. Und das ohne die durch ein Verhältniswahlrecht sichergestellte politische Pluralität einfach per Mehrheitswahlrecht abzuschaffen...

Das ganze geht so: Herkömmliche Wahlen funktionieren bekanntlich so wie die runden "Radio Buttons" - denn diese lassen einem nur genau eine (oder eben keine) Wahl:

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Demgegenüber die wesentlich grosszügigeren, eckigen "Check Boxes": bei ihnen darf man soviel ankreuzen, wie man eben möchte. Und so könnte ein Wähler im Rahmen einer so funktionierenden Wahl auch einiges mehr ausdrücken, er könnte zB seine präferierte Koalition wählen, er könnte natürlich weiterhin ausschliesslich seine Lieblingspartei wählen oder er könnte zB auch sagen: im Grund ist mir alles eher wurscht, aber bittschön nicht die Affen vom rechtsrechten oder linkslinken Rand:

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Das ganze nennt sich dann konsequenterweise Zustimmungswahlrecht, weil man eigentlich nicht mehr (aus)wählt, sondern eher abwägt, wievielen und welchen Wahlvorschlägen man seine Zustimmung erteilen oder eben verweigern möchte. Ein guter Startpunkt für genauere Infos findet sich im englischsprachigen Wikipedia: http://en.wikipedia.org/wiki/Approval_voting.

Was spannend ist: die wissenschaftliche Auseinandersetzung hat nicht nur gezeigt, dass dieses Wahlsystem erstaunlich resistent gegenüber taktischem Wählen ist, sondern auch, dass kompromissverweigernde politische Ränder um einiges schlechter abschneiden als im herkömmlichen Verfahren. So konnte man zB im Rahmen eines Experiments während der französischen Präsidentschaftswahl 2002 zeigen, dass der strammrechte Jean-Marie Le Pen mit diesem Verfahren nicht in die Stichwahl gegen Jacques Chirac gekommen wäre, sondern im ersten Wahlgang nicht nur hinter Jospin, sondern auch hinter Bayrou an der erst vierten Stelle gelandet wäre.

Undemokratisch? Ganz im Gegenteil. Trotz seiner dem herkömmlichen System ebenbürtigen Einfachheit reicht dieses System in seiner Ausdruckskraft an diverse Reihungs- und Punktewahlverfahren heran - und genau diese Ausdruckskraft ist übrigens auch die plausible Begründung dafür, dass der kompromissfähige Kandidat, die kompromissfähige Partei hier die besseren Karten hat: das herkömmliche Wahlsystem ist - überspitzt formuliert - heutzutage auf den Extremisten zugeschnitten: besonders er ist es, der eine starke Präferenz für eine ganz bestimmte Partei hat und diese Haltung daher bei unseren üblichen "Radio-Button-Wahlen" auch perfekt zum Ausdruck bringen kann. Gar nicht zum Ausruck kommt jedoch die ebenso berücksichtigenswerte besonders starke Ablehnung solcher Kandidaten oder Parteien durch alle anderen Wähler!

Dass die Summe der inneren, feinschattierten Präferenzen aller Wähler im Zustimmungsverfahren wesentlich besser, und daher im Endeffekt demokratischer zum Ausdruck gebracht werden kann sieht übrigens neben einigen anderen auch die Mathematical Association of America so, die das Verfahren konsequenterweise für ihre vereinsinternen, demokratischen Wahlen eingeführt hat.

Die amerikanischen Mathematiker sagen uns armen Österreichern damit durch die Blume find ich auch sowas wie: eigentlich seid ihr ja politisch in Wahrheit gar nicht so arg dumm wie ihr denkt, sondern vielleicht auch ein besonders augenfälliges Opfer eines überkommenen Wahlverfahrens: dieses stammt aus einer Zeit, in der fast jeder für sich ganz genau und fest wusste, dass es am Wahltag im Grunde eh nur eine ganz bestimmte Wahl geben "könne"... dieses Wahlverfahren solltet ihr daher mal ganz genau unter die Lupe nehmen... mehr Ausrucksmöglichkeiten und damit "mehr Demokratie" könnten tatsächlich den entscheidenden Unterschied machen.
bastille

brainstorming the bastille?

Geistig erstarrten Bastionen begegnen wir nicht nur in der Politik, sondern beinah überall... nicht zuletzt auch in uns selbst. Und so bleibt aber die ständige Herausforderung, sie immer wieder neu zu erstürmen.

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habe dich gerne gelesen. wenn auch nicht immer kommentiert.
weltbeobachterin (Gast) - 29. Nov, 16:46
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weltbeobachterin (Gast) - 29. Nov, 16:40
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zum falsch verstehen
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shaman (Gast) - 27. Nov, 14:47
naja, ich muss mich auch...
naja, ich muss mich auch öfter mal über ihn wundern...
maschi - 26. Nov, 22:14
sorry
aber Misik ist für mich ein rotes Tuch. Ich kann seine...
weltbeobachterin (Gast) - 26. Nov, 19:44

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