25
Mrz
2008

Was heisst eigentlich "reich"?

In einem meiner früheren Beiträge auf diesem Blog ("Herr Lebemann und Frau Sparefroh.") habe ich versucht herauszuarbeiten, warum ich den staatlichen Zugriff auf das Vermögen eines Menschen zur Finanzierung seiner Pflege für eine tendentiell ungerechte und bei näherer Betrachtung vermutlich auch die verfassungsrechtlich garantierte Gleichheit vor dem Gesetz verletzende Vorgangsweise halte. Die eigentlich krasse Ungleichbehandlung von zwei hinsichtlich ihres Lebenseinkommens und ihrer Lebensumstände völlig gleich gestellten Menschen bevorzugt denjenigen, der dieses Einkommen sofort komplett verkonsumiert ganz klar gegenüber dem Sparer. Die rechtliche Frage darf aufgeworfen werden, ob hier eine dem Gleichheitsgrundsatz genügende ausreichende "sachliche Differenzierung" gegeben ist. Als politische Minimalforderung ergibt sich für mich aus der Überlegung aber jedenfalls, dass eine allgemeine Finanzierung der Pflege über versicherungs- und/oder steuerbasierte Lösungen zumindest auch die Inhaber kleiner und mittlerer Vermögen umfassen müsste.

Der zugrundeliegende Gedanke hat aber weit über die Pflege hinausgehende Implikationen. Was verstehen wir denn eigentlich darunter, wenn wir sagen, derjenige oder diejenige sei "reich"? Wenn wir arbeiten gehen, um "Geld zu verdienen", zielt unser Bemühen dann wirklich auf "Geld" ab? Auch wenn uns unsere komplexe gesellschaftliche Realität oftmals beim Erkennen der einfachsten Tatsachen menschlichen Sozialverhaltens im Wege steht, gilt doch ganz sicher immer noch: Geld kann man nicht essen. Und dieser Spruch ist bei weitem nicht nur eine polemisch angehauchte Mahnung für Menschen, die zuviel ihrer Lebensenergie in die Jagd nach dem "schnöden Mammon" investieren - und darüber das eigentliche Leben vernachlässigen. Sondern der Spruch ist doch auch schlicht und einfach grundwahr: das verdiente Geld selbst kann man tatsächlich nicht "essen", nicht "verbrauchen" oder "konsumieren", es stellt für sich alleine nämlich keinerlei relevanten Wert dar, sondern erhält seinen Wert für uns erst dadurch, dass wir es in Folge gegen Leistungen eintauschen können, die uns real zugute kommen.

Wenn wir also arbeiten gehen, Leistungen für andere erbringen und dafür Geld erhalten, das wir nicht sofort wieder ausgeben müssen und wollen, dann halten wir nichts anderes als eine Gutschrift in Händen, die genaugenommen folgendes besagt: Du, überfleissiger Arbeiter, bist der Gesellschaft gegenüber in Vorleistung gegangen. Du hast bis jetzt bereits mehr für uns andere geleistet, als Du im Gegenzug an Leistungen in Anspruch genommen hast. Dafür darfst Du zu einem beliebigen späteren Zeitpunkt Dein Guthaben natürlich wieder einlösen. Und zum Beweis dafür, dass das so ist und Deine Vorleistungen auch sicher niemand vergisst, bekommst Du diesen Bestätigungsschein (aka Geldschein) von uns. Wenn Du ihn vorweist, dann wissen wir, dass Du noch was gut hast bei uns.

Anders und kürzer gesagt: Wer hauptsächlich arbeitet und Leistungen erbringt, aber nicht entsprechend verbraucht und konsumiert, wird ganz automatisch "reich" an Gutschriften. Das heisst dann nichts anderes als: er/sie hat bis dato mehr an wirtschaftlichen Realleistungen gegeben als er/sie genommen hat.

Wenn wir über Vermögenssteuern nachdenken, müssen wir meines Erachtens daher immer auch die sich daraus ergebende Frage der Gerechtigkeit und "Gleichheit vor dem Gesetz" stellen: Ist es gerecht, sinnvoll und richtig, von zwei gleich gut "situierten" Menschen, denjenigen zu bevorzugen, der alles sofort verkonsumiert (indem er etwa einen Zweit- und Drittwagen anschafft) und denjenigen zusätzlich zu besteuern, der das nicht tut, sondern sich trotz gutem Einkommen mit bescheidenerem Lebensstil begnügt. Der vielleicht abwartet, was er mit seinem Guthaben später Sinnvolleres tun kann, oder später vielleicht ein neues Unternehmen gründen und Arbeitsplätze schaffen will, oder sein Geld vielleicht gar unter den Armen verteilen will?

Ich denke: nein, das ist eigentlich weder gerecht, noch sinnvoll, noch richtig. Vielmehr ist eine solche Sicht auf das Thema "Reichtum" ein weiterer, wichtiger Fingerzeig in die Richtung, dass wir vermehrt darüber nachdenken müssen das Steuersystem schrittweise auf am Verbrauch anknüpfende Steuern umzustellen. Wenn wir Einnahmen besteuern, ist völlig unklar, was ein Mensch mit dem Geld getan hätte, hätten wir es ihm gelassen. Verlagern wir die Besteuerung hingegen auf den Zeitpunkt des Ausgebens, dann können wir wesentlich sinnvoller differenzieren: Kaufst Du Luxusgüter? Kaufst Du das nächste Auto? Oder verdienst Du zwar gut, kaufst aber dennoch fast nur Nahrungsmittel, weil Du 10 Kinder zu versorgen hast? Sparst Du, um Deinen Lebensabend am Mittelmeerkreuzer verbringen zu können? Oder sparst Du, weil Dir eine geniale Produktidee nicht aus dem Kopf geht und Du sie unbedingt realisiert sehen willst? Nicht wer viel verdient belastet schon dadurch gesellschaftlich finanzierte und bereitgestellte Infrastruktur (Bildung, Gesundheit, Verkehr, Rechtswesen etc), sondern derjenige, der ein hohes Einkommen auch in hohen privaten Konsum umsetzt.

Eine Umstellung auf Verbrauchssteuern hat noch ganz andere Aspekte, auf die ich aber heute nicht eingehen will, bin eh schon wieder zu lang. Ein ander Mal also mehr, nur der Verweis auf die Schriften des deutschen Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers Benediktus Hardorp, die mich zu einigen hier entwickelten Gedanken inspiriert haben, sei angebracht und unterstrichen, und eines noch: ich weiss schon - eine solche Debatte geht an den Ärmsten, für die die Frage, ob sie ihr Einkommen gleich verbrauchen oder lieber sparen sollen, gar nicht erst stellt, völlig vorbei. Ihnen und ihrer oft völlig unverschuldeten Situation müssen wir einen Gutteil unserer politischen Aufmerksamkeit widmen. Ich gehöre aber sicher auch nicht zu denjenigen, die meinen, mit dem Pauschalverweis auf die unzureichend gelöste Armutsfrage alle den breiten Mittelstand der Gesellschaft betreffenden (Gerechtigkeits-)Fragen unbeantwortet lassen zu können. Ganz im Gegenteil, ein bissl pathetisch vielleicht, aber wahr ist doch auch: nur wem Gutes und Gerechtes widerfährt, der wird auch selbst gut und gerecht handeln können.

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Lupo (Gast) - 2. Apr, 15:18

Reich

ist mit Arbeit noch nie jemand geworden.
;-)

maschi - 2. Apr, 15:21

schön, ich habe auf diesen Fingerzeig ja eigentlich gewartet, und jetzt kommt er mit einem Augenzwinkern... was mich freut.
Lupo (Gast) - 3. Apr, 12:37

Vielleicht

sollten wir uns mal wieder einmal Zeit nehmen, und das bei einem Getränk erörtern. :-)

Liebe Grüße
Wolfi
maschi - 3. Apr, 12:48

oh, was mich dann natürlich noch mehr freuen täte... ;)
shaman (Gast) - 15. Apr, 13:41

?

Als ob "reich" irgendwas mit "haben" zu tun hätte.

Die Reichen sind die eigentlichen Armen - ständig in der Angst was zu verlieren, was sie eh nicht brauchen, nie fertig konsumieren können und dann sterbens auch - wie alle.

Reich ist (wahre!) Freiheit, Gesundheit, Liebe und bewusst Leben erleben - das gilt es anzutreben.

Für viele ist reich auch, einfach Wasser zum trinken zu haben.

Die die den Weg der Besitzanhäufung und der Machtgeilheit gehen sind zu bedauern - spätestens wenn ihr oberflächliches Leben, ohne sich je darauf vorbereitet zu haben, zusammenbricht - und das wird es in jedem Fall tun, fragt sich nur wann - dann werden alle (vermeintlichen Schutz)Masken fallen - und derer haben die viele ...

(... hat sein müssen...)
maschi - 15. Apr, 14:12

hatte für mich ein bisserl einen anderen fokus mit dem beitrag. aber wichtig ist mir festzuhalten, dass ich anderen nicht in ihre persönlichen definitionen von "reichtum" reinpfuschen will - auch dann nicht, wenn das thema geld dabei eine überdimensional grosse rolle spielen sollte. darf für mich genau so sein...
Shaman (Gast) - 16. Apr, 09:10

Darf ! ;-)
bastille

brainstorming the bastille?

Geistig erstarrten Bastionen begegnen wir nicht nur in der Politik, sondern beinah überall... nicht zuletzt auch in uns selbst. Und so bleibt aber die ständige Herausforderung, sie immer wieder neu zu erstürmen.

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