11
Dez
2007

Widerstand

gegen den "durchgeknallten Rambo" Platter - Zitat © Peter Pilz: er formiert sich nur zögerlich.

In den 1990er Jahren wurde über Rasterfahndung und Lauschangriff noch laut debattiert - nach Ansicht unserer rot-schwarzen Regenten aber anscheinend zuviel des gutmenschelnden Expertengequatsches - und das wollte man nun nicht nochmal. Daher: Richterlose Identitätsfeststellung via IP-Adresse, richterlose Handyüberwachung, durchgepeitscht per kurz-parlamentarischem Prozess, keine Diskussion, schon gar kein Ausschuss ("keinen Termin gefunden"), keine ernsthafte Begutachtung, die grosskoalitionär abgeordneten Abstimmungsautomaten funktionieren.

Sollen sich Netzverbrecher hinter ihrer technischen Internet Adresse nach Belieben verstecken können, der Polizei im Bereich der "New Crimes" die Hände komplett gebunden sein? Nein, aber schwer bedenklich ist, dass immer öfter und auch hier wieder auf den Filter der richterlichen Genehmigung verzichtet wird - es reicht die selbständige Beurteilung durch die Polizei, dass "Gefahr im Verzug" vorliege. Und diese liegt hier auch tatsächlich vor: Diese Genehmigung durch unabhängige, unabsetzbare und unversetzbare Richter wird bei brauchbarer Begründung unkompliziert und im Journaldienst auch raschest erteilt, sie stellt einen extrem wichtigen und unverzichtbaren Schutz vor grundrechtswidriger Willkür dar, bewahrt den Polizeiapparat vor bedenkenlos-inflationärer Nutzung extrem heikler Überwachungsinstrumente und gewährleistet glaubwürdig die nachträgliche Überprüfbarkeit aller Vorgänge.

Welch Geistes Kind kann denn überhaupt auf die Idee kommen, solche historisch mühsam erkämpften Errungenschaften des Rechtsstaats in Frage zu stellen und abzubauen? Kann sich die SPÖ Justizministerin noch in den Spiegel schauen (so sehen Sie aus), wenn Platter hier seinen eigenen kleinen Patriot Act in den roten Sandkasten setzt? Nun ja, sie liest die Entwürfe manchmal nicht genau... kann ihr da bei der Prioritätensetzung bitte jemand unter die Arme greifen und den immer höher werdenden Stapel an grundrechtsrelevanten Vorhaben mal auf den Tisch knallen?

"Weitreichende Überwachungsmöglichkeiten ohne rechtsstaatliche Kontrolle - da fehlt dann nicht mehr viel auf die Schreckensvision in George Orwells 1984." - das Zitat stammt nicht von irgendwelchen kleinlichen Oppositionellen, und bezieht sich auch nicht nur auf diesen Anlassfall. Es stammt von Ex-Richterpräsidentin Barbara Helige und wurde im Rahmen einer Pressekonferenz der Österreichischen Liga für Menschenrechte getätigt. Es sind fraglos aussergewöhnliche Ladies and Gentlemen, die im Rahmen dieser Liga den Mut aufbringen, ihren persönlichen Gesamteindruck mal rundraus zu formulieren - einige Präsidentinnen und Präsidenten darunter, aber leider lediglich solche ausser Dienst.

Der neue Asylgerichtshof bedeutet nicht nur einen Kompetenzabbau für den Verwaltungsgerichtshof, sondern man beginnt mit ihm bereits auch an den Kontrollkompetenzen des Verfassungsgerichtshofs zu sägen. Wie lange noch, bis der von Univ.-Prof. Bernd-Christian Funk geortete Tsunami auch den durch den lästigen Verfassungsgerichtshof gewährleisteten Rechtsschutz komplett hinwegfegt? Oder könnte man vielleicht auch in diesem Fall, wie von Peter Kostelka hinsichtlich der Asylverfahren vorgeschlagen, nach Abbau des Rückstaus 2010 den Rechtsschutz dann später mal vielleicht wieder aufstocken?

Es verbleibt nur die vage Hoffnung auf den ehebaldigen Ausbau des Grundrechtschutzes auf europäischer Ebene - um die Sicherheit der wunderschönen, aber mit einer wahrhaft amoklaufenden Political Class gesegneten Bergprovinz Österreich auch in Zukunft zu gewährleisten.

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weltbeobachterin (Gast) - 11. Dez, 18:42

es war nicht Platters Patriot Act,

wenn man es genau nimmt, sondern der von Gusenbauer. Das Gesetz kam vom Bundeskanzleramt.
... de[r] Entwurf für den Asylgerichtshof - erst stammt aus dem von SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer geführten Kanzleramt...
Quelle: http://derstandard.at/?url=/?id=3138299
Das Platter dafür ist, besteht aber kein Zweifel.

maschi - 11. Dez, 22:17

Mmh, ja!

Vermutlich war da vor allem der Verfassungsdienst involviert und der sitzt nun mal im Bundeskanzleramt... andere Frage ist, ob das politisch so bedeutsam ist, denn das ist ohnehin alles akkordiert.

Ich persönlich mache da keinen so grossen Unterschied mehr. Für mich dominiert das "Grundproblem" - und das Grundproblem ist, dass bei dieser Vorgangsweise und diesen Inhalten ganz klar ist: da ist entweder niemand mehr, der politische Grundfragen verstanden hat oder niemand mehr, der sich noch um sie schert. Alexander Zach hat laut seiner Presseaussendung keinen einzigen unabhängigen Experten gefunden, der den Asylgerichtshof in dieser Form gutheissen kann. Ich glaube es ihm. Aber: es schert eben niemanden.

Und man versteht auch, wenn viele heute zum Schluss kommen, dass 183 Abgeordnete eigentlich "für die Fisch" sind: denn im Endeffekt ist tatsächlich egal wer dort sitzt und wie viele dort sitzen, wenn sie immer nur wie vorgegeben abstimmen...
Georg (Gast) - 11. Dez, 23:18

Das Problem ist weniger, das Abstimmungen so ausgehen wie erwartet (das war mit ganz wenigen Ausnahmen schon immer so, seit wir eine repräsentative Demokratie haben), sondern dass solche Gesetze nicht einmal mehr diskutiert werden. Innerhalb von 9 Stunden kam zB diese SPG Änderung an die Tagesordnung und wurde beschlossen. Davor hätte man Monate für eine Ausschussdebatte gehabt (in der sich tatsächlich noch etwas hätte ändern können), nur kam es nie zu einem Termin. Ähnlich, wenn auch nicht ganz so drastisch war es auch beim "Bundestrojaner". Und weil vorher nicht drüber diskutiert wurde beschäftigten die Medien sich dementsprechend wenig damit, und daher gibt es kaum öffentlichen Diskurs. Die Opposition alleine vermag es nicht, die Debatte so auszuweiten, dass ansatzweise Druck auf die irre gewordene GroKo entstehen könnte.

Da sind sich die zwei Streithanseln EINMAL einig und dann kommt SOWAS raus...

Ein paar "Gefahr im Vollzug"-Pics:
http://www.rigardi.org/?p=78
maschi - 11. Dez, 23:37

Georg...

Danke für den Comment: Du hast schon recht, dass man den Ausgang von Abstimmungen im Vorhinein "voraussehen" kann ist nicht der interessante/wesentliche Punkt.

Aber mal kurz abseits der Frage, dass solche Gesetze (= einschneidend verfassungsrelevante Gesetze) nicht nur nicht diskutiert werden, sondern auch gravierende Bedenken praktisch aller Verfassungsrechtler vom Tisch gewischt werden... da sind wir uns ja einig.

Ich habe schon ein demokratiepolitisches Systemproblem: und das hängt damit zusammen, dass wir uns zwar 183 Abgeordnete leisten, diese aber keine ausreichende Gewissensfreiheit geniessen. Hätten Sie diese und hätten sie auch nur ein wenig Rückgrat dürften sie eine derartig offensichtliche Aushebelung ihrer eigenen Macht und Befugnisse niemals zulassen. Die Hauptwurzel dafür liegt für mich in der mangelnden Trennung von Exekutive und Legislative in parlamentarischen Demokratien... aber jetzt wirds dann zu lang für einen Comment! :)
weltbeobachterin (Gast) - 12. Dez, 15:39

mein Problem bei dem Gesetz ist, das es einfach nicht im Ausschuss durchgesprochen wurde, sondern einfach über das Parlament "drübergefahren" wird und der öffentliche Diskurs fehlt.
Noch dazu ist es so, dass viele Menschen darüber schlichtweg nicht informiert sind. Teils weil es nur wenige Zeitungen darüber ausführlichst berichten, teils weil es vielen wurscht ist.
maschi - 12. Dez, 16:30

dass das "drüberfahren" möglich ist

bedeutet für mich zwingend, dass wir gravierende und systematische probleme haben. es ist kein einzelfall und es bringt daher leider auch nur wenig, wenn *solche* abgeordnete einen gepflegten diskurs in einem ausschuss führen. wenn jemand nicht weiss, wann der zeitpunkt gekommen ist, zu dem man einfach "nein" sagt und sagen muss ("nein ich stimme jedenfalls hier und heute nicht zu, so geht das nämlich nicht"), disqualifiziert er/sie sich völlig für diesen job.

fazit: aktuell ist eine deutliche verfassungsmehrheit aller abgeordneten völlig unqualifiziert den "job" auszuüben - weil charakterlich der Aufgabe schlicht nicht gewachsen. Warum das so ist - nun ja, das hat natürlich Gründe und wird auch nicht änderbar sein, indem man jammert, sondern nur durch gravierende Systemeinschnitte, die es für "gefestigte, eigenständig denkende Persönlichkeiten" wieder interessant macht, in die Politik einzusteigen...
kritikus (Gast) - 12. Dez, 12:31

Richterliche Genehmigung

Dass auf die offenbar (so lese ich das jedenfalls heraus) gänzlich verzichtet wurde (und nicht bloß in speziellen Gefährdungsfällen - zB abgänger Selbstmordgefährdeter mit nachträglicher Einholung des richterlichen Segens) hat mich auch sehr überrascht. Vielleicht ist das Ganze im Hinblick auf die ab 1. Jänner geltende StPO-Reform zu sehen. Dann wird das gesamte Vorverfahren der (weisungsgebundene) Staatsanwalt alleine führen und ein Richter hat da überhaupt nichts mitzureden...

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