15
Jan
2008

Das Kochrezept

der FPÖ ist ja folgendes:

1. Man nehme zunächst möglichst radikale, primär auf Aufwiegelung abzielende Sager und mische damit latent vorhandene Emotionen der Menschen gezielt auf.

2. Man lasse das Ganze in der nach Sensationsmeldungen dürstenden Medienöffentlichkeit ein- bis zweimal ordentlich aufkochen.

3. Man hänge zwischendurch - insbesondere gegenüber den dadurch ebenfalls emotional aufgewühlten politischen Gegnern - den seriösen und weltgewandten Debattierer und Denker heraus und verweise lediglich auf ein, zwei sachlich interessante Aspekte, die aber nicht Gegenstand der aufgewiegelten Emotionen waren.

4. Man lasse diese Brühe sich unter ständigem Rühren zu einer emotional verstärkten Bindung der Wähler zum eigenen Lager verfestigen und profitiere von den positiven Effekten auf das eigene Wahlergebnis.

Die grosse Frage ist: Wie bitteschön kommt man dem bei? Ich denke: Man muss schon Stellung beziehen, dann aber Ablenkungen vom eigentlichen Ausgangspunkt der Debatte konsequent ablehnen und sich in Folge auch möglichst rasch wieder anderen Themen widmen.

Daher hier keine Links und auch keine weiteren Beiträge von mir zum Thema. Mit jedem anderen Verhalten und jeder weiteren Eskalation der Empörung besteht sehr grosse Gefahr, mit voller Wucht in die eigens für einigermassen intelligente politische Gegner aufgestellte Falle zu laufen.

Wir hatten das im 20. Jahrhundert schon - sogar mehrmals.

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Schimi - 15. Jan, 16:58

Genau das hab ich mir gestern auch gedacht: Nichts dazu sagen geht nicht - doch etwas dazu sagen spielt ihnen in die Hände. Gruppierungen wie die FPÖ, die nach diesem Schema arbeiten wird es wohl immer geben, ich glaube aber letzten Endes liegt die Lösung nicht im "ignorieren der FPÖ" oder "Stellungnehmen zur FPÖ", sondern ganz weit weg von der FPÖ: In der realen, täglichen Politik: je besser es einem Land geht, je weniger Sorgen und Ängste die Bürger tatsächlich haben müssen (auch wenn es ihnen andere einreden), je mehr Bildung es gibt (an vielen Ecken und Enden), je besser "kleinere" Dinge wie Asylpolitik, Kriminalitätsbekämpfung und, und, und.... tatsächlich funktionieren, umso weniger wird man mit solchen Themen und Taktiken auf fruchtbaren Boden stoßen.

Tom Schaffer (Gast) - 15. Jan, 22:44

wiewohl da prinzipiell was dran ist, halte ich das im falle der fpö für unzutreffend. österreich hat als siebentreichstes land der welt keineswegs so große probleme, wie es massen an derartig rechten wählern hat. ist auch in der schweiz nicht anders. den leuten geht es hier wie da vergleichsweise hervorragend, trotzdem rennen sie mit begeisterung zum rechten rand. je mehr man hat, desto mehr angst kann man haben...

zudem gibts ja auch genug arme und ungebildete, die deshalb trotzdem nicht geistig und moralisch W.O. geben ...

natürlich muss es eh immer das ziel von politik sein, die probleme der leute zu beseitigen, aber ich fürchte, das rechtsradikalen-problem in diesem land hat da noch einige gründe mehr, die es zu beseitigen gibt.
maschi - 16. Jan, 10:33

Am Anfang war Erziehung

Ich glaube eigentlich ebenfalls nicht, dass eine bessere Realpolitik und weniger Probleme im alltäglichen Leben hier etwas Wesentliches ändern wird. FPÖ Wähler orientieren sich nicht an der Realität und ihrer Änderung, sondern in ganz besonders hohem Mass an dem was sie glauben und einer darauf basierenden subjektiven Realität.

Das ist natürlich ein Virus, den wir alle mit uns herumtragen, aber wir prägen die Symptome eben doch in unterschiedlichem starkem Ausmass aus: Das Gehirn ist eine weitgehend frei formbare Struktur. Wenn es nur lange genug und von verschiedener Seite "bearbeitet" wird, dann verändert es sich im wahrsten Sinn des Wortes und verändert damit auch unsere Wahrnehmung der Umwelt. In diesem Sinn sind Worte tatsächlich Waffen.

Betrachten wir zB die Haltung der Österreicher zur europäischen Integration. Wir profitieren objektiv nachweisbar massiv (möglicherweise sogar am meisten von allen? weiss ich jetzt nicht) von der sog. "Osterweiterung", dennoch verschlechtert sich gleichzeitig die politische Haltung dazu in einem Ausmass, das in keiner Weise mehr mit "Erweiterungsverlierern" erklärbar ist.

Worums also langfristig am ehesten ginge, wäre die Leute krisenfest in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu machen. Unanfällig und kritisch gegenüber jeder Form des Extremismus. Womit wir wieder bei der Bildungsreform wären: "Am Anfang war Erziehung." sagt Alice Miller und beschreibt in diesem Buch u.a. den Weg zum Nationalsozialismus des Adolf Hitler. Nun glaube ich zwar nicht, dass unsere "Kindererziehung" noch so krass problemhaft ist wie damals, aber wir sind eben auch nicht gut genug: Es sind die schwach ausgeprägten Persönlichkeiten mit mangelhaft aufgebautem Selbstbewusstsein, die nach meiner Wahrnehmung heute der FPÖ nachlaufen, nicht ganz aber doch weitgehend unabhängig von sozialen Belangen.

Und damit hätte ich auch schon den Bogen geschlagen, warum mir der Verweis auf zwei im Spiegel unlängst rezensierte Studien zum Thema der Auslesemechanismen am Weg zum Lehrberuf so wichtig war. Wenn wir die schwachen Persönlichkeiten tendentiell dorthin schicken, na dann brauchen wir uns aber wirklich nicht mehr weiter wundern.
Schimi - 16. Jan, 16:32

@Tom Schaffer: Wenn du tatsächlich den weltweiten Vergleich machen willst (was in der Praxis natürlich schwer messbar wäre) glaube ich tatsächlich, dass Österreich (ähnlich wie viele andere europäische Staaten) als siebentreichstes Land vergleichsweise ein sehr geringes Problem mit Rechtsextremismus hat, und das eigentlich meine Theorie untermauert. Man denke nur an div. asiatische und vor allem afrikanische Länder, in denen nach wie vor Genozid betrieben wird oder zumindest - teilweise relativ unhinterfragt - ganze Volksgruppen vom öffentlichen Leben ausgeschlossen werden. Das mit 15% österreichischen Wählerstimmen zu vergleichen ist fast schon ein wenig sarkastisch.
Allerdings soll das keineswegs unsere internen Diskussionen stoppen oder gar das FPÖ-Problem klein reden. Im Gegenteil, ich finde es toll und wichtig das Thema aufrecht zu erhalten, würde mich dabei aber eher an anderen europäischen Ländern messen.

@maschi: Hier hab ich ehrlich gesagt den Widerspruch nicht verstanden. Bildung ist ja ein Teil der Realpolitik, das hab ich sogar als Beispiel angeführt. "Osterweiterung" ist ein wunderbares Beispiel für eine Aufklärungsfrage. Ebenso sind "schwache Persönlichkeiten " und "mangelhaftes Selbstbewusstsein" Erziehungsfragen. All das - und das war der Kern meiner Aussage - hat aber nichts mit der FPÖ an sich zu tun. Diese Fragen könnten beispielsweise auch andere Parteien und Organisationen in Angriff nehmen.
Ich glaube nicht, dass du gemeint hast die Lösung wäre den FPÖ Wählern etwas vorzugaukeln oder vorzulügen, damit sie etwas anderes "glauben". Die Lösung wäre meiner Meinung nach eben die Realität zu ändern, denn auch die "subjektive Realität" orientiert sich zu einem sehr starken Teil (zum Großteil?) an der Realität.
maschi - 16. Jan, 16:39

@Schimi: Du hast wohl recht, ich hatte Dein Statement wohl nach dem Statement von Tom Schaffer etwas zu eng im Kopf - mehr auf rein wirtschaftliche Umstände bezogen - und hab mein Statement deshalb mit einer Portion Widerspruch begonnen. Die Dinge die ich ausgebaut habe, die waren bei Dir durchaus genauso bereits drinnen, insbesondere die Bildung!
bastille

brainstorming the bastille?

Geistig erstarrten Bastionen begegnen wir nicht nur in der Politik, sondern beinah überall... nicht zuletzt auch in uns selbst. Und so bleibt aber die ständige Herausforderung, sie immer wieder neu zu erstürmen.

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