Wenn einer stirbt ...
... der niemanden kalt gelassen hat, dann gibt es meist noch am selben Tag all jene Würdigungen eines Menschenlebens, in denen versucht wird, die richtigen Worte zu finden. Einerseits sind das jene Worte, mit denen man den Respekt vor dem Menschen in den Vordergrund rückt, Anteilnahme mit nahen Angehörigen und Freunden zeigt, andererseits wird aber im Fall des Ablebens eines polarisierenden Politikers gerade auch von politischen Gegnern um eine ausgewogene Anerkennung für das positive politische Wirken gerungen.
Im Fall des in der Nacht auf heute bei einem Autounfall tödlich verunglückten österreichischen Politikers Jörg Haider (zuletzt BZÖ) hört sich das zum Beispiel so an (via):
Für Bundespräsident Heinz Fischer war Haider ein "Politiker mit großen Begabungen", der mit seinem politischen Wirken Begeisterung, aber auch entschiedene Kritik ausgelöst habe. Der BZÖ-Obmann habe die Fähigkeit gehabt, "auf die Menschen zuzugehen und zu begeistern" und hätte daher "jede Möglichkeit gehabt, im kommenden Jahr in Kärnten eindrucksvoll wieder zum Landeshauptmann gewählt zu werden".
Für Vizekanzler Wilhelm Molterer (ÖVP) habe Haider "immer einen eindeutigen Standpunkt bezogen" und sei jemand gewesen, der "sich nie ein Blatt vor den Mund genommen und Dinge beim Namen genannt" habe.
Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ) sprach davon, dass Österreich mit Landeshauptmann Jörg Haider "eines der größten politischen Talente der letzten Jahrzehnte" verloren habe. Trotz so mancher Auffassungsunterschiede sei für sie erkennbar gewesen, dass für Jörg Haider "vor allem in sozialen Fragen der Mensch im Mittelpunkt seines Handelns gestanden" habe.
Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) meinte, dass "politische Differenzen und konkurrierende Wertvorstellungen durch den Tod nicht aufgehoben" würden, "aber entscheidend relativiert". Sie anerkenne und würdige die große politische Lebensleistung Haiders, der die österreichische Politik der letzten Jahrzehnte mit geprägt habe. Der Tod Haiders sollte "alle Politiker daran erinnern, dass bei aller Schärfe der politischen Auseinandersetzung der Respekt vor dem Menschen gewahrt bleiben" müsse. Haider habe als "Politiker im Bund wie in Kärnten in den letzten Jahrzehnten viel in Bewegung gebracht".
Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl (ÖVP) meinte Haider habe "bewegt und gestaltet, durchaus auch mit Widersprüchen". Die Sozialpartnerschaft habe er gefordert, aber damit letztlich auch bewirkt, dass Anstrengungen und Leistungen erhöht worden seien.
Für ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer (SPÖ) hatte Haider "die Stärke, wie ein Barometer die Stimmungen in der Bevölkerung zu erkennen und anzusprechen."
Meist lassen dann auch die kritischen Stimmen nicht lange auf sich warten, die in solchen oder ähnlichen Worten vor allem anderen eine gute Portion Scheinheiligkeit vermuten. Man kann auch deren Argumente ganz gut nachvollziehen: es sei eben nicht gut, die politische Einschätzung zu adaptieren, das Positive zu sehr überzubetonen oder (sehr) kritische Punkte zu verschweigen, nur weil es die gesellschaftlich geübte Norm der Pietät vor einem gerade erst Verstorbenen so gebiete.
Ich möchte diesem Gedanken heute aber einen weiteren hinzufügen: warum gelingt es (uns allen) eigentlich so furchtbar schlecht, einen Menschen und sein Wirken und Werken schon zu Lebzeiten umfassend und differenziert zu würdigen? Mir fallen heute auf Anhieb eine ganze Reihe an wirklich schwerwiegenden politischen Brocken ein, für die Jörg Haider jahrzehntelang gestanden ist und die ich für vorwiegend richtig und positiv halte, oder über die ich mir zumindest eine umfassende, differenzierte Diskussion wünschen würde.
So stand Jörg Haider natürlich ganz klar gegen das System des politischen Proporzes zweier Parteien, die bereits seit den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts nicht mehr in der Lage waren, die vielfältiger werdende gesellschaftliche Realität abzubilden - ein System, das daher immer mehr Menschen nicht nur von einer adäquaten politischen Vertretung und Teilnahme, sondern auch ganz konkret von einer Unzahl an staats- und damit partei(proporz)nahen Entscheidungspositionen ausschloss und vielfach nach wie vor ausschliesst.
Ebenso stand Jörg Haider damit verbunden natürlich auch gegen die in diesem System mitvorhandenen offensichtlichen Missbräuche öffentlicher Gelder, kritisierte lautstark (und vor allem zu Anfang durchaus auch mutig) völlig überzogene Bezüge von Kämmerer- und Gewerkschafts-Multifunktionären, stellte öffentlich das System der mit dem Parteienproporz engmaschig verknüpften Kammer-Zwangsmitgliedschaften in Frage und trat für eine Ausmistung einer vor allem auch den Marktzutritt neuer Selbständiger erschwerenden österreichischen Gewerbeordnung ein.
Nicht zuletzt kritisierte Jörg Haider bereits seit den 1980er Jahren die Überbürokratisierung unseres Gesundheitssystems und forderte unter anderem die Zusammenlegung der neunzehn Krankenversicherungsträger, fünf Pensionsversicherungsträger und vier Unfallversicherungsträger.
Jörg Haider ist plötzlich, unerwartet und vor allem aus menschlicher Sicht auch viel zu früh von uns gegangen. Seine oftmals aggressive Ausländerpolitik und seine bewusst oder unbewusst vielfach unklar gebliebene Haltung in Fragen der Bewältigung der faschistischen Vergangenheit dieses Landes haben es seinen politischen Gegnern sehr schwer gemacht, seine positiven Beiträge bereits zu seinen Lebzeiten angemessen zu würdigen und auch angemessen aufzugreifen.
Er geht zu einem für Österreichs Politik schwierigen aber auch spannenden Zeitpunkt, zu dem nun in allen Parlamentsparteien mit Werner Faymann, Josef Pröll, Eva Glawischnig und Heinz-Christian Strache eine jüngere Generation ans Ruder kommen wird, die es anders machen will. Genau das möchte ich mir daher heute auch wünschen: Ja, macht es anders. Versucht Eure Vorgänger umfassend zu (er)kennen und zu würdigen, und lernt aus ihren Fehlern. Versucht aber auch euren eigenen Weg zu gehen, verfolgt eure eigenen Ziele und macht auch eure eigenen Fehler dabei.
Genau diese Chance es einfach anders zu machen und sich immer wieder neu zu erproben ist es, der jede Generation sich stellen muss. Und genau diese Chance für das ganz Neue ist daher wohl auch ein tieferliegender Grund dafür, warum wir alle am Ende unseres Weges wiederum Platz machen müssen. Dem Neuen Platz machen müssen.
Im Fall des in der Nacht auf heute bei einem Autounfall tödlich verunglückten österreichischen Politikers Jörg Haider (zuletzt BZÖ) hört sich das zum Beispiel so an (via):
Für Bundespräsident Heinz Fischer war Haider ein "Politiker mit großen Begabungen", der mit seinem politischen Wirken Begeisterung, aber auch entschiedene Kritik ausgelöst habe. Der BZÖ-Obmann habe die Fähigkeit gehabt, "auf die Menschen zuzugehen und zu begeistern" und hätte daher "jede Möglichkeit gehabt, im kommenden Jahr in Kärnten eindrucksvoll wieder zum Landeshauptmann gewählt zu werden".
Für Vizekanzler Wilhelm Molterer (ÖVP) habe Haider "immer einen eindeutigen Standpunkt bezogen" und sei jemand gewesen, der "sich nie ein Blatt vor den Mund genommen und Dinge beim Namen genannt" habe.
Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ) sprach davon, dass Österreich mit Landeshauptmann Jörg Haider "eines der größten politischen Talente der letzten Jahrzehnte" verloren habe. Trotz so mancher Auffassungsunterschiede sei für sie erkennbar gewesen, dass für Jörg Haider "vor allem in sozialen Fragen der Mensch im Mittelpunkt seines Handelns gestanden" habe.
Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) meinte, dass "politische Differenzen und konkurrierende Wertvorstellungen durch den Tod nicht aufgehoben" würden, "aber entscheidend relativiert". Sie anerkenne und würdige die große politische Lebensleistung Haiders, der die österreichische Politik der letzten Jahrzehnte mit geprägt habe. Der Tod Haiders sollte "alle Politiker daran erinnern, dass bei aller Schärfe der politischen Auseinandersetzung der Respekt vor dem Menschen gewahrt bleiben" müsse. Haider habe als "Politiker im Bund wie in Kärnten in den letzten Jahrzehnten viel in Bewegung gebracht".
Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl (ÖVP) meinte Haider habe "bewegt und gestaltet, durchaus auch mit Widersprüchen". Die Sozialpartnerschaft habe er gefordert, aber damit letztlich auch bewirkt, dass Anstrengungen und Leistungen erhöht worden seien.
Für ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer (SPÖ) hatte Haider "die Stärke, wie ein Barometer die Stimmungen in der Bevölkerung zu erkennen und anzusprechen."
Meist lassen dann auch die kritischen Stimmen nicht lange auf sich warten, die in solchen oder ähnlichen Worten vor allem anderen eine gute Portion Scheinheiligkeit vermuten. Man kann auch deren Argumente ganz gut nachvollziehen: es sei eben nicht gut, die politische Einschätzung zu adaptieren, das Positive zu sehr überzubetonen oder (sehr) kritische Punkte zu verschweigen, nur weil es die gesellschaftlich geübte Norm der Pietät vor einem gerade erst Verstorbenen so gebiete.
Ich möchte diesem Gedanken heute aber einen weiteren hinzufügen: warum gelingt es (uns allen) eigentlich so furchtbar schlecht, einen Menschen und sein Wirken und Werken schon zu Lebzeiten umfassend und differenziert zu würdigen? Mir fallen heute auf Anhieb eine ganze Reihe an wirklich schwerwiegenden politischen Brocken ein, für die Jörg Haider jahrzehntelang gestanden ist und die ich für vorwiegend richtig und positiv halte, oder über die ich mir zumindest eine umfassende, differenzierte Diskussion wünschen würde.
So stand Jörg Haider natürlich ganz klar gegen das System des politischen Proporzes zweier Parteien, die bereits seit den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts nicht mehr in der Lage waren, die vielfältiger werdende gesellschaftliche Realität abzubilden - ein System, das daher immer mehr Menschen nicht nur von einer adäquaten politischen Vertretung und Teilnahme, sondern auch ganz konkret von einer Unzahl an staats- und damit partei(proporz)nahen Entscheidungspositionen ausschloss und vielfach nach wie vor ausschliesst.
Ebenso stand Jörg Haider damit verbunden natürlich auch gegen die in diesem System mitvorhandenen offensichtlichen Missbräuche öffentlicher Gelder, kritisierte lautstark (und vor allem zu Anfang durchaus auch mutig) völlig überzogene Bezüge von Kämmerer- und Gewerkschafts-Multifunktionären, stellte öffentlich das System der mit dem Parteienproporz engmaschig verknüpften Kammer-Zwangsmitgliedschaften in Frage und trat für eine Ausmistung einer vor allem auch den Marktzutritt neuer Selbständiger erschwerenden österreichischen Gewerbeordnung ein.
Nicht zuletzt kritisierte Jörg Haider bereits seit den 1980er Jahren die Überbürokratisierung unseres Gesundheitssystems und forderte unter anderem die Zusammenlegung der neunzehn Krankenversicherungsträger, fünf Pensionsversicherungsträger und vier Unfallversicherungsträger.
Jörg Haider ist plötzlich, unerwartet und vor allem aus menschlicher Sicht auch viel zu früh von uns gegangen. Seine oftmals aggressive Ausländerpolitik und seine bewusst oder unbewusst vielfach unklar gebliebene Haltung in Fragen der Bewältigung der faschistischen Vergangenheit dieses Landes haben es seinen politischen Gegnern sehr schwer gemacht, seine positiven Beiträge bereits zu seinen Lebzeiten angemessen zu würdigen und auch angemessen aufzugreifen.
Er geht zu einem für Österreichs Politik schwierigen aber auch spannenden Zeitpunkt, zu dem nun in allen Parlamentsparteien mit Werner Faymann, Josef Pröll, Eva Glawischnig und Heinz-Christian Strache eine jüngere Generation ans Ruder kommen wird, die es anders machen will. Genau das möchte ich mir daher heute auch wünschen: Ja, macht es anders. Versucht Eure Vorgänger umfassend zu (er)kennen und zu würdigen, und lernt aus ihren Fehlern. Versucht aber auch euren eigenen Weg zu gehen, verfolgt eure eigenen Ziele und macht auch eure eigenen Fehler dabei.
Genau diese Chance es einfach anders zu machen und sich immer wieder neu zu erproben ist es, der jede Generation sich stellen muss. Und genau diese Chance für das ganz Neue ist daher wohl auch ein tieferliegender Grund dafür, warum wir alle am Ende unseres Weges wiederum Platz machen müssen. Dem Neuen Platz machen müssen.
maschi - 11. Okt, 11:50
Trackbacks zu diesem Beitrag
HOME @ NirakAtak's - 15. Okt, 01:12
Jörg Haider: zur Biographie
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Jörg Haider
am 26. Jänner, 1950 in Bad... [weiter]
katatonik (Gast) - 11. Okt, 19:04
Eine umfassende und differenzierte Würdigung bedeutet auch, hinter behauptete Politik zu blicken und die gemachte Politik zu sehen. Ich vermisse hier, dass sich die FPÖ an der Macht in der Regierung in Sachen Proporz kaum anders verhalten hat als die vormals kritisierten Großparteien. Ich vermisse, dass Haider auch ein Landeshauptmann war, der Sozialpolitik und Kulturpolitik als Geldverteilung aus den Händen eines großzügigen Landesvaters begriff. - Das Image des aufrechten Kämpfers für die Menschen, der halt ein bisserl herumpolterte gegen die Ausländer (die sowieso nur marginal sind), nein, das ist nicht differenziert.
maschi - 11. Okt, 21:34
Ich kann die Kritik einerseits sehr gut nachvollziehen, zumal ich die genannten Punkte ja genauso sehe. Andererseits geht sie gerade deshalb auch völlig ins Leere für mich, denn ich wollte ja gar keine "ausgewogene und differenzierte Würdigung" verfassen - das überlasse ich gerne den darin geübten Damen und Herren unseres öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Mir ging es an heutigem Tag lediglich darum, einen für mich gar nicht so einfachen Schritt zu tun und einige positive, für mich berechtigte Punkte eines von mir grundsätzlich abgelehnten Politikers aufzuzählen. Gleichzeitig werfe ich die Frage auf, warum uns das grundsätzlich sehr oft erst nach dem Ableben einer umstrittenen Persönlichkeit zu gelingen scheint -ich verknüpfe damit auch die hier unausgesprochen gebliebene Frage, ob man sich nicht einige Haider Erfolge erspart hätte, wenn man schon sehr frühzeitig auf seine berechtigten Anliegen (und nur diese) eingestiegen wäre. Nicht mehr und nicht weniger. Danke fürs Lesen und fürs Feedback!
katatonik (Gast) - 11. Okt, 23:36
Liegt das nicht einfach an der eingeübten sozialen Praxis der Würdigung? Daran, dass ein Höhe- und Tiefpunkte im Wirken eines Menschen überschauender Blick immer dann geworfen wird, wenn entweder ein Lebensabschnitt oder ein Leben zuende sind? Aber das beantwortet die Frage dann eben einfach so: Dass es uns nicht gelingt, Menschen einfach so zwischendurch zu würdigen, liegt daran, dass (zumindest öffentliche) Würdigungen einen Blick auf Abgeschlossenes brauchen, und der kommt eben nur im nachhinein.
Tom Schaffer (Gast) - 12. Okt, 14:58
Die Würdigung fällt schwer, weil sie im Rahmen des Gesamtwerks nicht stimmt. Haider an der Macht hat es bewiesen. Der Proporz wurde blau, statt rot. Die seltsamen Förderungen gingen an die eigenen Leute, statt die anderen. Haider war ein Populist, as solcher steht man immer auch für richtige Dinge, meistens halt oberflächlich. Wir Menschen würdigen jemanden aber nur dann, wenn er im großen und ganzen in Ordnung ist ist, nicht irgendwo im Detail. Und ich meine, das ist zurecht so.
PS: Was Gabi Burgstaller sagt, der Mensch habe im Mittelpunkt seines sozialpolitischen Wirkens gestanden, da stellts mir die Zähennägel auf. Erst in den letzten Wochen hat Haider Menschen auf einer unbetreuten Alm zusammengepfercht. Das passiert, wenn man jemanden für etwas würdigt, was dieser aus zutiefst ideologischen Gründen betrieben hat.
PS: Was Gabi Burgstaller sagt, der Mensch habe im Mittelpunkt seines sozialpolitischen Wirkens gestanden, da stellts mir die Zähennägel auf. Erst in den letzten Wochen hat Haider Menschen auf einer unbetreuten Alm zusammengepfercht. Das passiert, wenn man jemanden für etwas würdigt, was dieser aus zutiefst ideologischen Gründen betrieben hat.
maschi - 13. Okt, 09:35
Ich glaube hier liegt ein gewisses Problem im Begriff der "Würdigung". Mir gings nicht um eine Würdigung, schon gar nicht um eine ausgewogene und differenzierte, sondern, wie oben bereits gesagt, darum, einige für mich als positiv erkannte Punkte aufzuzählen. Dass wir jemanden nur dann für sein Lebenswerk "würdigen", wenn uns das ausgewogene und differenzierte Gesamtbild würdigenswert erscheint, ist natürlich richtig so.
Wo aber gerade in der Politik das Problem beginnt, ist, wenn wir einem Menschen, nur weil wir ihn insgesamt (zu Lebzeiten meine ich jetzt) nicht "würdigen" können de facto gar nicht mehr zuhören. Vielleicht ist für die etwas jüngere Generation nicht mehr so hautnah nachvollziehbar, dass Haiders Thema in den 1980er Jahren zunächst fast ausschliesslich der Widerstand gegen Proporz, Parteibuchwirtschaft und Privilegien war, damit verdoppelte er 1986 die FPÖ auf Anhieb auf gute 10% und erreichte 1990 über 16%. Das "Ausländerthema" existierte damals in der öffentlichen Wahrnehmung noch so gut wie gar nicht, der "eiserne Vorhang" war noch nicht gefallen, Österreich ein neutrales Land "nach dem Vorbild der Schweiz". Das Ausländerthema diente dem Erfinder des österreichischen Populismus dann eher erst ab den 1990er Jahren dazu, auf diesen früheren vor allem durch ehemalige ÖVP Wähler ermöglichten Wahlerfolgen aufzubauen und nun massiv in einer zunehmend verängstigten SPÖ Wählerschaft zu wildern.
Auch wenn Haider und seine rechte FPÖ schon in den 1980er Jahren für die meisten geschichtsbewussten Menschen unwählbar war, sagten oder dachten viele insgeheim gerade damals (also vor dem Ausländerthema), dass er in vielem de facto "recht hat". Und genau in der Kombination aus diesem weitverbreiteten Gefühl und der (menschlich ebenso verständlichen) Komplett-Abgrenzungspolitik Vranitzkys bestand aber dann auch das Problem. Es war nicht mehr möglich, über legitime Anliegen zu diskutieren und Haider konnte dies alles nun mit seinen Ausländerwahlkämpfen "vermischen" - all das erlaubte einer breiten Wählerschicht ihre eher dumpfen Emotionen, die sie sich vorher vielleicht sogar selbst wenn sie sie lange schon hatten irgendwo "selbst nicht erlaubt" hatten, zu legitimieren und nun öffentlich vor sich herzutragen. Das Ergebnis von dem allen kennen wir. Heute hält eine ganz offen ausländerfeindliche und weitgehend monothematische Partei ein knappes Fünftel der Wähler. Eine ganze Generation an Jungwählern wählt bereits schon dann diese Partei, wenn sie nichts anderes tut als dem "Vorbild" der Eltern zu folgen...
Und jetzt ginge es ja wieder darum, zumindest jene BZÖ Wähler die Strache ganz offenbar abstösst (sonst hätten sie ihn nämlich gleich selbst gewählt), die aber in einem moderateren Haider-BZÖ eine Möglichkeit sahen, ihren Systemprotest auszudrücken nicht ebenfalls über kurz oder lang in die Hände des Monothematikers zu treiben...
Wo aber gerade in der Politik das Problem beginnt, ist, wenn wir einem Menschen, nur weil wir ihn insgesamt (zu Lebzeiten meine ich jetzt) nicht "würdigen" können de facto gar nicht mehr zuhören. Vielleicht ist für die etwas jüngere Generation nicht mehr so hautnah nachvollziehbar, dass Haiders Thema in den 1980er Jahren zunächst fast ausschliesslich der Widerstand gegen Proporz, Parteibuchwirtschaft und Privilegien war, damit verdoppelte er 1986 die FPÖ auf Anhieb auf gute 10% und erreichte 1990 über 16%. Das "Ausländerthema" existierte damals in der öffentlichen Wahrnehmung noch so gut wie gar nicht, der "eiserne Vorhang" war noch nicht gefallen, Österreich ein neutrales Land "nach dem Vorbild der Schweiz". Das Ausländerthema diente dem Erfinder des österreichischen Populismus dann eher erst ab den 1990er Jahren dazu, auf diesen früheren vor allem durch ehemalige ÖVP Wähler ermöglichten Wahlerfolgen aufzubauen und nun massiv in einer zunehmend verängstigten SPÖ Wählerschaft zu wildern.
Auch wenn Haider und seine rechte FPÖ schon in den 1980er Jahren für die meisten geschichtsbewussten Menschen unwählbar war, sagten oder dachten viele insgeheim gerade damals (also vor dem Ausländerthema), dass er in vielem de facto "recht hat". Und genau in der Kombination aus diesem weitverbreiteten Gefühl und der (menschlich ebenso verständlichen) Komplett-Abgrenzungspolitik Vranitzkys bestand aber dann auch das Problem. Es war nicht mehr möglich, über legitime Anliegen zu diskutieren und Haider konnte dies alles nun mit seinen Ausländerwahlkämpfen "vermischen" - all das erlaubte einer breiten Wählerschicht ihre eher dumpfen Emotionen, die sie sich vorher vielleicht sogar selbst wenn sie sie lange schon hatten irgendwo "selbst nicht erlaubt" hatten, zu legitimieren und nun öffentlich vor sich herzutragen. Das Ergebnis von dem allen kennen wir. Heute hält eine ganz offen ausländerfeindliche und weitgehend monothematische Partei ein knappes Fünftel der Wähler. Eine ganze Generation an Jungwählern wählt bereits schon dann diese Partei, wenn sie nichts anderes tut als dem "Vorbild" der Eltern zu folgen...
Und jetzt ginge es ja wieder darum, zumindest jene BZÖ Wähler die Strache ganz offenbar abstösst (sonst hätten sie ihn nämlich gleich selbst gewählt), die aber in einem moderateren Haider-BZÖ eine Möglichkeit sahen, ihren Systemprotest auszudrücken nicht ebenfalls über kurz oder lang in die Hände des Monothematikers zu treiben...
bruckner (Gast) - 13. Okt, 10:33
insbesondere spannend -
find ich dann auch die vorstellung, dass einer der über udo jürgens zu diplomieren gedenkt in jörgls fußstapfen zu steigen gedenkt...
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