9
Apr
2008

Fick doch die Politik.

Frau Knecht berichtet unter dem knalligen Titel "Fick Deine Mutter" in ihrer wöchentlichen Falter Kolumne erleichtert, dass sie ihre Kinder in einer "kuscheligen, kleinen Schule" untergebracht hat - und Freund Bruckner empört sich über die Masche, mit der sie sich zu rechtfertigen versucht. Er hat ja nicht ganz unrecht, wenn er hier eine Fortsetzung alter, vorwiegend katholisch geprägter Tradition ortet, die Tradition des Sündigens und nachfolgenden Beichtens nämlich, eine Tradition auch, die diese Abfolge zum immerwährenden Zyklus und zu einer Art "sündigem" Normalfall erhebt - schlussendlich profitiert ja auch die die Sünden erlassende Institution von den sündigen Beichtern...

Alles in allem trifft diese Kritik an Doris Knecht aber für mich nicht den wichtigsten Punkt. Der wichtigste inhaltliche Punkt ist, dass Frau Knecht ihre Kinder trotz eines aufgrund anders gearteter politischer Überzeugung schlechten Bauchgefühls in eine Schule schickt, in der sie es ihrer Ansicht nach gut haben werden.

Ich meine: gut so. Und frage: was ist das für eine schlechte Gesellschaft, in der Frau Knecht sich befinden muss, die sie dazu animiert, eine derartig merkwürdige Rechtfertigung in alle Öffentlichkeit hinauszuschrei(b)en?

Es ist wert, sich ein wenig damit auseinanderzusetzen, denn Frau Knecht macht sich hier ja nicht ganz untypische Probleme. Diese sind mir selbst, der als politisch denkender Mensch und Vater zweier kleiner Mädchen nun auch bald vor solchen Entscheidungen steht natürlich auch schon mal durch den Kopf gegangen. Nun, ich kenne solche Gedanken zwar, aber ich muss gleich wieder einschränken: ich mache mir die Probleme nicht wirklich. Denn ich finde schon lange - und wahrlich nicht nur in diesem Bereich - dass man als Einzelperson einfach nicht alle Dinge wiedergutmachen oder "büssen" kann, die die Politik zuvor geradezu gnadenlos verbockt hat.

Ich muss nämlich mein eigenes Leben leben. Heute - hier - jetzt. Ich habe mit meinem Leben heute - hier - jetzt keinerlei Zeit darauf zu warten, bis die Politik irgendwann kapiert, wie manches vielleicht besser gehen könnte. Ich muss heute - hier - jetzt versuchen, das beste aus all dem Mist um mich herum zu machen, gemäss meinen eigenen Überzeugungen. Das bin ich, um beim Thema zu bleiben, im übrigen auch meinen Kindern schuldig: zu versuchen, die beste Wahl für sie zu treffen, wo immer sie sie selbst noch nicht treffen können. Und dazu gehört für mich im konkreten Fall sowohl, dass ich sie weder in einer rundum-heilen (und vor Geld stinkenden) Welt abriegele, noch, dass ich sie - um nur ein mich konkret betreffendes Beispiel herauszugreifen - in eine Schule schicke, in der zu 80% türkisch gesprochen wird.

Es gibt solche Schulen in unserer Umgebung und ich füge hinzu: wir wohnen gerne hier und zumindest die in unserem Haus lebenden türkischstämmigen Nachbarn kriegen schön langsam mit, dass wir zwar "Uralt-Österreicher" und "Ungläubige" sind, aber dennoch keine Unmenschen. Es dauerte aber leider wirklich Jahre (nach Jahren, in denen wir trotz intensiver Bemühungen unsererseits freundlich zu sein meist nichtmal gegrüsst oder wahrgenommen wurden). Ja, ja, ich weiss, die unterschiedlichen sozialen Voraussetzungen ... usw., ich weiss, aber ich bin hier mal sehr hart und verweise schlicht auf mein persönliches Erleben und die Religion als solche (nicht eine bestimmte), die ich hauptverantwortlich dafür mache, dass Menschen ihre Mitmenschen nicht einfach so als Menschen wahrnehmen können... es ist leider tatsächlich so. Und genau so einer Umgebung werde ich aber meine Kinder sicher nicht aussetzen. Ja bin ich denn wahnsinnig? Nein, bin ich eben nicht.

Meine Frau und ich haben überhaupt keine Probleme mit "Ausländern", aber schon gar keine. Die real existierenden Ghettos sind weder meine Schuld, noch war ich je oder bin ich aktuell für sie, ja ganz im Gegenteil. Die Folgen falscher, über Jahrzehnte verfehlter ("linker") Stadtpolitik (zu späte Öffnung der Gemeindebauten, zu späte und zu wenige Integrationsbemühungen hinsichtlich insb. türkischstämmiger Frauen, eine gesellschaftlich weitestgehend unkritische Hinnahme menschenunwürdiger Praktiken unter dem Mäntelchen der Religionsfreiheit etc etc), ich soll sie am Ende tragen? Keine Lust, dankeschön. Und von der jahrzehntelangen Verschleppung der Einführung der Gesamtschule durch die Bundespolitik mal ganz abgesehen, ja macht sie doch endlich, dann schicke ich meine Kinder hin.

Und und und... ich scheiss auf diese Politik, mit Verlaub. Und ich kann als Einzelner sie weder ausgleichen, noch fühle ich mich verpflichtet "korrekt" zu handeln, noch werde ich meine Kinder für sie büssen lassen. Ich tue als Einzelmensch dort wo es geht - ja, aber es gibt definitiv Grenzen.

Ich habe politisch klare Positionen in all diesen Fragen. Aber ich muss und werde meine Kinder schützen. Ich schütze sie damit nämlich gerade auch vor realer Politik und ihren negativen Folgen. Und ich trage meiner Ansicht gerade damit am besten dazu bei, dass vorgezeigt wird, wie es anders geht, dass Leute mit Initiative (sei diese nun öffentlich oder privat finanziert, ganz egal), die es meiner bescheidenen Ansicht nach besser können, auch unterstützt werden, indem ich sie unterstütze und damit "wichtiger" mache, und indem last not least Kinder heranwachsen (meine Kinder), die einen realistischen Blick auf die Welt bekommen - und mal in der Lage sind, was Positives beizutragen.

Auch deshalb, weil ihnen selbst Positives widerfahren ist.

Ich verstehe Frau Knecht daher in ihrem Verhalten - ohne die Schule zu kennen, um die es sich hier dreht. Ihre Rechtfertigung halte ich aber für merkwürdig - sie zeugt für mich von mangelndem Nachdenken und im Grunde auch von mangelndem Selbstbewusstsein. Sehr bedenklich für mich, dass man sich letztlich dafür glaubt rechtfertigen zu müssen, dass man schlicht und ergreifend versucht, das unter gegebenen Umständen Beste zu tun.

Meine Kinder werden übrigens, so sie "uns" nehmen, in eine öffentliche Volkschule gehen - allerdings nicht in irgendeine, sondern eine von uns bewusst ausgesuchte. Liesse man mir am Ende allerdings tatsächlich nur die Wahl zwischen einer für mich aus welchen Gründen auch immer untragbaren Schule und einer vor Geld stinkenden Privatschule - ich würde mein letztes Hemd ausziehen und nur noch Kartoffeln essen, nur um meine Kinder dorthinzuschicken.

Und nocheinmal: das ist auch gut so.

Ein Update - irgendwie off topic - und dann doch wieder nicht: ein vielversprechender junger Grünbundesrat mit türkischem "Migrationshintergrund" und der unmittelbar folgende Broderismus-Reflex von Tom Schaffer, der für mein Empfinden nun schon so leicht auszulösen ist, dass auch absolut konstruktive Debattenbeiträge auf dieser Basis nicht mehr wahrgenommen werden können...

1
Apr
2008

Dann kriegt man das wieder hin.

Ein nicht mehr ganz taufrisches Video, aber ich mag den genialen Schreiber und brand eins Mitbegründer Wolf Lotter einfach sehr und es gibt mir zudem Gelegenheit auf die Schweizer Initiative Grundeinkommen und den grundeinkommen.tv Blog hinzuweisen.





(Video via http://www.initiative-grundeinkommen.ch)

Tja, die Freiheit ist das Schwierige daran, nicht die Finanzierbarkeit... und gleich nochmal zum Mitschreiben, während wir das Gesicht von Herrn Lotter betrachten, unmittelbar, nachdem er diesen Satz gesprochen hat:
Wir müssen eine andere Struktur finden, auch der Besteuerung, nämlich der Verbrauchsbesteuerung. – Dann kriegt man das wieder hin.

30
Mrz
2008

Abstimmen.

Tom Schaffer berichtet subjektiv und dementsprechend interessant über vorwiegend nationalistisch motivierte Anti EU Aufmärsche in Wien - und wärmt dabei auch die Sache mit dem gesamteuropäischen Referendum auf: ein solches wäre im Gegensatz zu einer Unzahl an nationalen Volksabstimmungen sinnvoll. Nationale Abstimmungen hingegen wären letztlich undemokratisch, weil selbst kleinste Länder den europapolitischen Fortschritt für alle anderen auf ewig blockieren könnten.

Er hat recht mit dieser oft zitierten Analyse - aber vielleicht unrecht zugleich?

Vorweg: ich bin eigentlich ebenfalls aus politischen Gründen gegen nationale Volksabstimmungen, weil ich fürchte, eine von ihnen könnte irgendwo negativ ausgehen. Und weil ich den Reformvertrag in Summe für einen Fortschritt halte, den ich gerne noch zu meinen Lebzeiten realisiert sehen würde. Aber diese sehr einfach gestrickte Begründung wird selten so ausgesprochen, nicht wahr?

Für wenig hilfreich - und auch nicht ganz aufrichtig - halte ich hingegen den Hinweis auf die Möglichkeit eines EU-weiten Referendums, also einer Art "supranationalen Volksabstimmung". Denn dazu müsste für mich zumindest in diesem Reformvertrag selbst vorgesehen sein, dass es die Möglichkeit einer solchen supranationalen verfassungsgebenden Volksabstimmung, bei der zB eine doppelte Mehrheit der positiv stimmenden Bürger und der positiven stimmenden Staaten den Ausschlag gibt, mit Inkrafttreten dieses Reformvertrags dann auch tatsächlich gäbe. Dann liesse ich mir ja vielleicht einreden, dass man argumentieren könnte: "beim nächsten Mal machen wir das genau so - denn diesmal schaffen wir die Grundlage für echte europäische Demokratie". Aber: das ist natürlich nicht vorgesehen - und: es wird wohl auch noch lange nicht vorgesehen sein.

Genau das aber - die Möglichkeit von grundlegenden "Verfassungs"-änderungen der Union über die Köpfe einiger Mitgliedsstaaten hinweg, denen dann selbstverständlich die jederzeitige Möglichkeit zum Austritt offensteht, wäre der eigentlich europapolitisch dringend notwendige Schritt an Aufgabe nationaler Souveränität. Erst dieser Schritt - ultimativ legitimiert durch eine letztmalige Veränderung der Union auf "herkömmlichem", rein nationalem Weg, inkl. diverser nationaler Volksabstimmungen, wäre für mich die eigentliche Sicherstellung der weiteren Reformierbarkeit der Union. Eine gemeinsam abgehaltene supranationale Volksabstimmung zu gewinnen ist vielleicht nicht leicht, aber immer im Bereich des Möglichen.

Die Union aber auf die herkömmliche Art und Weise weiterzuentwickeln wird weiterhin schwieriger werden - die Entwicklung wird auch ganz ohne die "lästigen" nationalen Volksabstimmungen demnächst zum Erliegen kommen. Denn auch wenn dieser Reformvertrag vielleicht doch noch ein letztes Mal durchzudrücken sein wird - der ganze demokratiepolitische Vorgang rund um die "Verfassung", die nun nicht mehr Verfassung heissen darf, wird bei den Gegnern einen ungeheuren Frust hinterlassen. Und die Bewegung der ob dieser "Demokratie" Frustrierten wird beim nächsten Vertiefungsschritt, wenn die Union dann noch viel mehr Mitglieder haben wird, noch stärker geworden sein. Ganz im Gegensatz zu einer Entwicklung, die direktdemokratisch legitimiert wäre. Denn das Verlieren einer Abstimmung können die Leute viel besser akzeptieren, gerade wenns ihnen ums Ganze geht.

Die Gefahr ist gross: mehr Demokratie als in diesem Vertrag vorgesehen, bekommen wir am Ende nicht mehr. Und zwar deshalb nicht, weil die Kritiker nationaler Volksabstimmungen mehr als nur recht haben: Irgendwann geht einfach gar nichts mehr. Bei reinem Konsensprinzip ist immer irgendwer dagegen. Die Verfassung der USA ist aus genau diesem Grund kaum mehr zu ändern. Und wir müssen sehen: Demokratie ist diese Europäische Union so immer noch keine. Auch mit dem Reformvertrag nicht. Die Tür zur Entwickelbarkeit der Europäischen Union geht möglicherweise zu früh zu. Nämlich lange bevor wir zumindest jenes Ausmass an Demokratie erreicht hätten, das in den USA seit über 200 Jahren selbstverständlich ist...

Und deshalb denke ich manchmal - und eigentlich immer öfter: lasst sie abstimmen. Vermutlich wird es, so wie beim ersten Mal, irgendwo "schiefgehen". Aber wir würden endlich offen über die Sache zu diskutieren anfangen - und nicht darüber, ob wir vielleicht diskutieren (und dann abstimmen) sollten. Und vielleicht brauchen wir genau diese "Geduld mit dem Volk", um am Ende des Tages etwas wirklich Gutes in Händen zu halten... oder am Ende des Jahrhunderts... und seis drum, wenn ichs dann wohl sicher nicht mehr erlebe...

29
Mrz
2008

Sommer! Mehr Zeit?

Als am vergangenen Nationalfeiertagswochenende (vom 26. bis 28. Oktober 2007) die Uhren von Sommer- auf Winterzeit umgestellt wurden, brach eine gar dunkle Periode über meine Frau und mich herein. Denn entgegen unseren Hoffnungen, dass die Sprösslinge ihren Gewohnheiten gemäss statt um rund 20 Uhr eigentlich gegen 19 Uhr in die Betten verschwinden müssten, kalkulierte der Biorhytmus der kleinen Erdenbürger etwas anders und beschloss, dass 19 Uhr einfach zu früh sei und man daher unbedingt eine weitere Aktivitätsperiode von rund 2 Stunden anhängen muss.

Die Kinder gehen seitdem also in etwa um 21 Uhr ins Bett - und sind auch beharrlich und bis zum heutigen Tag dabei geblieben.

Entsprechend bange erwarte ich nun also die in der Nacht von heute auf morgen stattfindende Umstellung von Winter- auf Sommerzeit. Wird sich der Biorhytmus der lieben Kleinen an seine damaligen - etwas verwegenen - Kalkulationen erinnern oder wird er am Ende ein Kurzzeitgedächtnis vorschützen und diesmal einfach sagen: OK, 21 Uhr vorher = 22 Uhr nachher. Eigentlich auch ok, oder Papa?

Was Sie garantiert nicht über die Sommerzeit wissen lässt sich übrigens in der Financial Times Deutschland nachlesen - warum man keine Energie damit spart, warum sie auch abgesehen vom individuellen Leid einiger Jungeltern nicht gesund ist und warum die FDP in Deutschland mit ihrem Antrag die Sommerzeit aufs ganze Jahr auszudehnen und die Umstellerei einfach wegzulassen, trotzdem kalt abgeblitzt ist... sie sind uns eben einfach so ans Herz gewachsen, unsere Eulenspiegel-Streiche!

25
Mrz
2008

Was heisst eigentlich "reich"?

In einem meiner früheren Beiträge auf diesem Blog ("Herr Lebemann und Frau Sparefroh.") habe ich versucht herauszuarbeiten, warum ich den staatlichen Zugriff auf das Vermögen eines Menschen zur Finanzierung seiner Pflege für eine tendentiell ungerechte und bei näherer Betrachtung vermutlich auch die verfassungsrechtlich garantierte Gleichheit vor dem Gesetz verletzende Vorgangsweise halte. Die eigentlich krasse Ungleichbehandlung von zwei hinsichtlich ihres Lebenseinkommens und ihrer Lebensumstände völlig gleich gestellten Menschen bevorzugt denjenigen, der dieses Einkommen sofort komplett verkonsumiert ganz klar gegenüber dem Sparer. Die rechtliche Frage darf aufgeworfen werden, ob hier eine dem Gleichheitsgrundsatz genügende ausreichende "sachliche Differenzierung" gegeben ist. Als politische Minimalforderung ergibt sich für mich aus der Überlegung aber jedenfalls, dass eine allgemeine Finanzierung der Pflege über versicherungs- und/oder steuerbasierte Lösungen zumindest auch die Inhaber kleiner und mittlerer Vermögen umfassen müsste.

Der zugrundeliegende Gedanke hat aber weit über die Pflege hinausgehende Implikationen. Was verstehen wir denn eigentlich darunter, wenn wir sagen, derjenige oder diejenige sei "reich"? Wenn wir arbeiten gehen, um "Geld zu verdienen", zielt unser Bemühen dann wirklich auf "Geld" ab? Auch wenn uns unsere komplexe gesellschaftliche Realität oftmals beim Erkennen der einfachsten Tatsachen menschlichen Sozialverhaltens im Wege steht, gilt doch ganz sicher immer noch: Geld kann man nicht essen. Und dieser Spruch ist bei weitem nicht nur eine polemisch angehauchte Mahnung für Menschen, die zuviel ihrer Lebensenergie in die Jagd nach dem "schnöden Mammon" investieren - und darüber das eigentliche Leben vernachlässigen. Sondern der Spruch ist doch auch schlicht und einfach grundwahr: das verdiente Geld selbst kann man tatsächlich nicht "essen", nicht "verbrauchen" oder "konsumieren", es stellt für sich alleine nämlich keinerlei relevanten Wert dar, sondern erhält seinen Wert für uns erst dadurch, dass wir es in Folge gegen Leistungen eintauschen können, die uns real zugute kommen.

Wenn wir also arbeiten gehen, Leistungen für andere erbringen und dafür Geld erhalten, das wir nicht sofort wieder ausgeben müssen und wollen, dann halten wir nichts anderes als eine Gutschrift in Händen, die genaugenommen folgendes besagt: Du, überfleissiger Arbeiter, bist der Gesellschaft gegenüber in Vorleistung gegangen. Du hast bis jetzt bereits mehr für uns andere geleistet, als Du im Gegenzug an Leistungen in Anspruch genommen hast. Dafür darfst Du zu einem beliebigen späteren Zeitpunkt Dein Guthaben natürlich wieder einlösen. Und zum Beweis dafür, dass das so ist und Deine Vorleistungen auch sicher niemand vergisst, bekommst Du diesen Bestätigungsschein (aka Geldschein) von uns. Wenn Du ihn vorweist, dann wissen wir, dass Du noch was gut hast bei uns.

Anders und kürzer gesagt: Wer hauptsächlich arbeitet und Leistungen erbringt, aber nicht entsprechend verbraucht und konsumiert, wird ganz automatisch "reich" an Gutschriften. Das heisst dann nichts anderes als: er/sie hat bis dato mehr an wirtschaftlichen Realleistungen gegeben als er/sie genommen hat.

Wenn wir über Vermögenssteuern nachdenken, müssen wir meines Erachtens daher immer auch die sich daraus ergebende Frage der Gerechtigkeit und "Gleichheit vor dem Gesetz" stellen: Ist es gerecht, sinnvoll und richtig, von zwei gleich gut "situierten" Menschen, denjenigen zu bevorzugen, der alles sofort verkonsumiert (indem er etwa einen Zweit- und Drittwagen anschafft) und denjenigen zusätzlich zu besteuern, der das nicht tut, sondern sich trotz gutem Einkommen mit bescheidenerem Lebensstil begnügt. Der vielleicht abwartet, was er mit seinem Guthaben später Sinnvolleres tun kann, oder später vielleicht ein neues Unternehmen gründen und Arbeitsplätze schaffen will, oder sein Geld vielleicht gar unter den Armen verteilen will?

Ich denke: nein, das ist eigentlich weder gerecht, noch sinnvoll, noch richtig. Vielmehr ist eine solche Sicht auf das Thema "Reichtum" ein weiterer, wichtiger Fingerzeig in die Richtung, dass wir vermehrt darüber nachdenken müssen das Steuersystem schrittweise auf am Verbrauch anknüpfende Steuern umzustellen. Wenn wir Einnahmen besteuern, ist völlig unklar, was ein Mensch mit dem Geld getan hätte, hätten wir es ihm gelassen. Verlagern wir die Besteuerung hingegen auf den Zeitpunkt des Ausgebens, dann können wir wesentlich sinnvoller differenzieren: Kaufst Du Luxusgüter? Kaufst Du das nächste Auto? Oder verdienst Du zwar gut, kaufst aber dennoch fast nur Nahrungsmittel, weil Du 10 Kinder zu versorgen hast? Sparst Du, um Deinen Lebensabend am Mittelmeerkreuzer verbringen zu können? Oder sparst Du, weil Dir eine geniale Produktidee nicht aus dem Kopf geht und Du sie unbedingt realisiert sehen willst? Nicht wer viel verdient belastet schon dadurch gesellschaftlich finanzierte und bereitgestellte Infrastruktur (Bildung, Gesundheit, Verkehr, Rechtswesen etc), sondern derjenige, der ein hohes Einkommen auch in hohen privaten Konsum umsetzt.

Eine Umstellung auf Verbrauchssteuern hat noch ganz andere Aspekte, auf die ich aber heute nicht eingehen will, bin eh schon wieder zu lang. Ein ander Mal also mehr, nur der Verweis auf die Schriften des deutschen Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers Benediktus Hardorp, die mich zu einigen hier entwickelten Gedanken inspiriert haben, sei angebracht und unterstrichen, und eines noch: ich weiss schon - eine solche Debatte geht an den Ärmsten, für die die Frage, ob sie ihr Einkommen gleich verbrauchen oder lieber sparen sollen, gar nicht erst stellt, völlig vorbei. Ihnen und ihrer oft völlig unverschuldeten Situation müssen wir einen Gutteil unserer politischen Aufmerksamkeit widmen. Ich gehöre aber sicher auch nicht zu denjenigen, die meinen, mit dem Pauschalverweis auf die unzureichend gelöste Armutsfrage alle den breiten Mittelstand der Gesellschaft betreffenden (Gerechtigkeits-)Fragen unbeantwortet lassen zu können. Ganz im Gegenteil, ein bissl pathetisch vielleicht, aber wahr ist doch auch: nur wem Gutes und Gerechtes widerfährt, der wird auch selbst gut und gerecht handeln können.

18
Mrz
2008

Wo ist der Chef?

Da ich momentan vor allem anderen einfach nur sprachlos bin - es wird dem einen oder der anderen aufgefallen sein - überlasse ich die Beschreibung des kafkaesken Zustands österreichischer Politik doch einfach mal dem Schizo-Punk des Parlaments:
Wo bin ich hier?
Was tu ich hier?
Keiner ist da
und keiner sagt es mir.
Ich hoffe nur,
das ändert sich bald.
Wo ist der Chef dieser seltsamen Anstalt?

Die Türen versperrt,
die Läden dicht.
Einen Weg nach draußen
gibt es nicht.
Auf allen Schildern steht
"Vorsicht" und "Halt"
Wo ist der Chef dieser seltsamen Anstalt?

Die Räume leer,
die Gänge leer,
wo kommen verdammt
diese Schreie her?
Meine Augen schmerzen,
meine Schläfen sind kalt.
Wo ist der Chef dieser seltsamen Anstalt?

Die Wände sind weiß,
Die Böden sind blank,
warum liege ich hier,
ich bin doch nicht krank.
Nur mein Gesicht sieht
müde aus und alt.
Wo ist der Chef dieser seltsamen Anstalt?


Franz Morak, 1981.
 

9
Mrz
2008

Zappen am Tag der Frau.

Gestern spätabends, ein nach einer unfassbar chaotischen 80 Stunden Woche vollkommen erschöpfter Familienvater sitzt auf der leeren Wohnzimmer-Couch... also mal sehen: auf 3sat diskutiert die immer grossartige Sandra Meischberger mit durchaus interessanten Gästen über ärztliche Kunstfehler, noja... jetzt eher nicht, auf dem ZDF Dokukanal findet ein "Feldzug gegen ein Tabu" statt, das Tabu ist die "Beschneidung" genannte Genitalverstümmelung junger Mädchen in vor allem Afrika und die diesbezügliche Aufklärungskampagne eine wie ich finde richtige und unterstützenswerte Sache... diese Menschenrechtsorganisation "Target", die da dahinter steht sieht interessant aus, muss ich mir mal näher ansehen, aber ich bin zu müde dafür... daher kurz hinüber zum ZDF Theaterkanal... cool, da läuft ein Pink Konzert in der Londoner Wembley Arena - "I'm not dead" musste ich mir sogar physisch kaufen und steht bei mir im Regal, solange der Titel auf mich zutreffen wird... die Frau ist ein Hammer, und ich mag sie rundherum sehr... aber ganz überzeugt bin ich noch nicht, dass ich mir nicht vielleicht doch etwas noch intellektuelleres reinzieh... Bayern Alpha vielleicht? Hier läuft "Zurück an den Herd kriegen die uns nicht"... eh nicht, wozu auch, wobei ich die engagierten Gewerkschafterinnen die da vor meinen Augen durch deutsche Werkshallen ziehen zu dieser Stunde jetzt auch nicht mehr wirklich verkrafte... aber moment Mal: Boxen im Zweiten! Sandi Tsagouris fügt der Titelverteidigerin im Federgewicht nach WIBF, Ina Menzer, zwar ein schweres Cut über dem rechten Auge zu, diese kann ihren Titel im Hauptkampf dieses ZDF Boxabends aber dennoch erfolgreich und letztlich klar verteidigen... und daher nun doch und endgültig zurück zur guten p!nk...



...meine Güte... wenns nach mir ginge könnt man ja eigentlich alle Tage im Jahr zum Tag der Frau ausrufen...

1
Mrz
2008

Ein Fall für die Psychiatrie.

Mein Freund - einer meiner allerfeinsten - übt einen der vermutlich anstrengendsten Jobs aus, die man sich überhaupt vorstellen kann: er ist psychiatrischer Krankenpfleger. Und aus dieser seiner Berufswelt erzählt er mir manchmal "Geschichten", die einen verzweifeln lassen könnten - hätte man nicht so wie er von der Pike auf gelernt, damit umzugehen und sich letztlich auch ein stückweit abgrenzen zu können. Nicht so weit, dass einem die innere Beteiligung und damit auch die Motivation abhanden käme, aber doch so weit, dass man selbst keinen "Schaden" davonträgt.

Allerdings: die Probleme, von denen mein Freund sich da abgrenzen muss, sie hätten gar nicht primär mit seinen Patienten zu tun, seine Patienten seien nämlich noch die normalsten Menschen, mit denen er so den ganzen Tag konfrontiert sei, so meint er, mit einem kleinen Augenzwinkern - und einer ziemlichen Portion Ernst.

Und als er unlängst beim abendlichen Bier mir gegenüber erwähnte, dass viele seiner Patienten den ganzen Tag oft nur noch damit zubringen würden "zu rauchen - sonst bleibt denen nix", da hake ich nach: Naja, aber wird da nicht auch versucht, sie dazu zu animieren, ihren Tag mit etwas Sinnvollerem zu füllen? Theoretisch schon ja, antwortet er mir, nur praktisch fehle das Geld dafür hinten und vorne - alles, was über die reine Finanzierung einer "Unterbringung" hinausgehe, würde mit dem Verweis auf die fehlenden Mittel zunehmend abgedreht, nicht mehr finanziert, leise entsorgt. Wobei: auch die Qualität der "Unterbringung" müsse man einschränken: seinem Haus werde von fachkundiger Seite prognostiziert, dass es in spätestens 10 Jahren so baufällig sein werde, dass man es räumen werde müssen. Dagegen unternommen werde "gar nichts".

Aber apropos, diese Teeküche in seinem Bereich: die habe man nun nach einem geradezu affenartigen Hürdenlauf, einer "Odyssee" durch alle internen Instanzen, mit der er einen 200-seitigen Roman füllen könnte, endlich erneuern lassen. Die Geräte seien nun - entgegen den Vorstellungen der beglückten Mitarbeiter - nur vom Allerfeinsten und Teuersten, und alles sei nach Maß getischlert, denn wenn die zuständigen Stellen tatsächlich einmal tätig würden, dann könne ihren Qualitätsvorstellungen auch niemand einen Riegel vorschieben. Diese Küche hätte man unter Berücksichtigung der eigentlichen Anforderungen bei einem Diskonter um unter € 1.000,- erwerben können, so meint er, tatsächlich habe man ein Vielfaches dafür ausgegeben.

Tja, das stimmt wohl, denke ich. Und für die dafür notwendige interne "Odyssee", für die veranschlage ich dir, mein Freund - der mir das Thema Prozesskostenrechnung nicht ganz fremd ist - aus dem Bauch heraus nochmal einen Faktor 5 deines vielfach überhöhten Kaufpreises an weiteren, internen Kosten - aber mindestens... und wenn du dann noch dazuzählst, wieviel Arbeitszeit dir die an allen Ecken und Enden krachende Infrastruktur schon in diesem kleinen Mini-Bereich "Teeküche" laufend kostet, wieviel Zeit der teuerst ausgebildeten Pflegefachkräfte nach deinen Berichten laufend für Handlangertätigkeiten bis zum Mülleinsammeln draufgeht, weil hint und vorn nix funktioniert... wir können das in Wahrheit gar nicht mehr schätzen, wieviele Aberzehntausende Euro diese Teeküche deinen Schildarungen gemäss gekostet haben muss...

Die Teeküche steht für meinen Freund für ein ganzes System. Ein System, das er in- und auswendig kennt. Und er - in der Wolle rot gefärbt von Kindesbeinen an - er plädiert mittlerweile für Versicherungspflicht statt Pflichtversicherung. In der Hoffnung, dass ein bisschen mehr Wettbewerb zur Gesundung beitragen könnte. Das derzeitige System sei nämlich schlicht und einfach krank - ein Fall für die Psychiatrie gewissermassen.

Und die Patienten, für die unser aller Mittel eigentlich vorgesehen wären? Die rauchen sich bis dahin vermutlich halt mal eben eine an. Denn es wird wohl schon noch ein Weilchen dauern, bis man die baufällig gewordene Bastion dann irgendwann räumen wird müssen...

29
Feb
2008

Dieses Stöckchen

nehme ich doch gerne auf - zumal es mir Gelegenheit bietet trotz akuten Zeitmangels auch hier festzuhalten, dass es diesen Kalendertag, den es eigentlich gar nicht gibt, im Jahr 2008 doch mal wieder gegeben hat. Das Stöckchen: es kommt vom ja eigentlich gar nicht immer so blöden Tom. Und jetzt ist wie er meint das wichtigste: kein Spielverderber sein. Die sozial gar nicht so uninteressante Aufgabe lautet wie folgt:
Nimm das nächst liegende Buch.
Schlage es auf Seite 123 auf.
Notiere die Sätze 6 - 8 in dein Blog!
Bitte 5 Blogger, das Gleiche zu tun.
Motto also: Bunter Blogger Abend, wer sind wir eigentlich? Aber ehrlich sein! OK. Ich schaue mich um, die nächsten Bücher stehen neben mir auf dem Fensterbrett und da sind natürlich die vielen Software Dinge, von denen jetzt vermutlich nicht viele meiner Leser eine Ahnung haben, andererseits, die Sätze 6-8 auf Seite 123 des wirklich genialen Buches Java Persistence with Hibernate, das mir da sofort ins Auge sticht sind erstaunlicherweise gar nicht so übel, finde ich:
Any Object Relational Mapping Solution should provide a human-readable, easily hand-editable mapping format, not just a GUI mapping tool. Currently, the most popular object/relational metadata format is XML. Mapping documents written in and with XML are lightweight, human readable, easily manipulated by version control systems and text editors, and they can be customized at deployment time (or even at run-time, with programmatic XML generation).
Bumm, das eignet sich ja schon fast als ein kleines Mini Manifest eines Pragmatic Programmers. Cool.

Nun kam also nach tina > odradek > rebell.tv > kellerabteil > rigardi.org > Zur Politik auch Maschi dran und weiter gehts somit zu meinen Opfern:

bruckner, helge, laurenzennser, sorry meine Guten, weiters quäl ich doch einfach mal den freundlichen Herrn, der mir echt gut die USA erklärt und der ja eigentlich absolut Sinn für programmierkundige Leser der Sorte "Duh!" hat - gleich mal sehen, ob er Backlinks checkt - und, ja, ich probier halt einfach mal, wieviel Zeit mein Lieblingspolitiker und Lieblingsopfer Christoph Chorherr für echten Unsinn wie diesen hat.

Gespannt wie ein Pfitschipfeil.

26
Feb
2008

How Would Jesus Vote?

Sie wollens definitiv wissen heuer, die US-Demokraten: "How Would Jesus Vote?" fragt die Washington Post und hat auch eine evangelikale Antwort zur Hand.

Liberal, of course.
bastille

brainstorming the bastille?

Geistig erstarrten Bastionen begegnen wir nicht nur in der Politik, sondern beinah überall... nicht zuletzt auch in uns selbst. Und so bleibt aber die ständige Herausforderung, sie immer wieder neu zu erstürmen.

 Subscribe

Point of View

martin[@]schimak[.]at
VIENNA, AUSTRIA

Current

Comments

Just wanted to say Hello!
It's amazing in favor of me to have a website, which...
http://www.healthraport.de/ratschlage/a,men-solution-plus-losung-fur-echte-manner.html (Gast) - 20. Sep, 13:12
filtergeräte für raucherlokale
dieser ganze zirkus von wegen kampf gegen raucherlokale...
wallenstein (Gast) - 23. Feb, 11:04
Danke für diesen Blog...
Danke für diesen Blog - ist mir immer wieder ein Vergnügen...
shaman (Gast) - 2. Dez, 11:56
alles gute! des rätsels...
alles gute! des rätsels lösung: machs wie ich. ich...
Tom Schaffer (Gast) - 29. Nov, 22:57
Alles Gute
habe dich gerne gelesen. wenn auch nicht immer kommentiert.
weltbeobachterin (Gast) - 29. Nov, 16:46
Besserwisser ist das...
oder ich habe es falsch angewendet. Nicht im Sinne...
weltbeobachterin (Gast) - 29. Nov, 16:40
Zuerst mal alles Gute...
Zuerst mal alles Gute zum Geburtstag! Ich kenne das...
Thomas (Gast) - 28. Nov, 17:24
zum falsch verstehen
Muss mich jetzt doch nochmal dazu äußern... "weltverschwöru ng...
shaman (Gast) - 27. Nov, 14:47
naja, ich muss mich auch...
naja, ich muss mich auch öfter mal über ihn wundern...
maschi - 26. Nov, 22:14
sorry
aber Misik ist für mich ein rotes Tuch. Ich kann seine...
weltbeobachterin (Gast) - 26. Nov, 19:44

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Legal

twoday.net AGB

Creative Commons License