11
Okt
2008

Wenn einer stirbt ...

... der niemanden kalt gelassen hat, dann gibt es meist noch am selben Tag all jene Würdigungen eines Menschenlebens, in denen versucht wird, die richtigen Worte zu finden. Einerseits sind das jene Worte, mit denen man den Respekt vor dem Menschen in den Vordergrund rückt, Anteilnahme mit nahen Angehörigen und Freunden zeigt, andererseits wird aber im Fall des Ablebens eines polarisierenden Politikers gerade auch von politischen Gegnern um eine ausgewogene Anerkennung für das positive politische Wirken gerungen.

Im Fall des in der Nacht auf heute bei einem Autounfall tödlich verunglückten österreichischen Politikers Jörg Haider (zuletzt BZÖ) hört sich das zum Beispiel so an (via):

Für Bundespräsident Heinz Fischer war Haider ein "Politiker mit großen Begabungen", der mit seinem politischen Wirken Begeisterung, aber auch entschiedene Kritik ausgelöst habe. Der BZÖ-Obmann habe die Fähigkeit gehabt, "auf die Menschen zuzugehen und zu begeistern" und hätte daher "jede Möglichkeit gehabt, im kommenden Jahr in Kärnten eindrucksvoll wieder zum Landeshauptmann gewählt zu werden".

Für Vizekanzler Wilhelm Molterer (ÖVP) habe Haider "immer einen eindeutigen Standpunkt bezogen" und sei jemand gewesen, der "sich nie ein Blatt vor den Mund genommen und Dinge beim Namen genannt" habe.

Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ) sprach davon, dass Österreich mit Landeshauptmann Jörg Haider "eines der größten politischen Talente der letzten Jahrzehnte" verloren habe. Trotz so mancher Auffassungsunterschiede sei für sie erkennbar gewesen, dass für Jörg Haider "vor allem in sozialen Fragen der Mensch im Mittelpunkt seines Handelns gestanden" habe.

Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) meinte, dass "politische Differenzen und konkurrierende Wertvorstellungen durch den Tod nicht aufgehoben" würden, "aber entscheidend relativiert". Sie anerkenne und würdige die große politische Lebensleistung Haiders, der die österreichische Politik der letzten Jahrzehnte mit geprägt habe. Der Tod Haiders sollte "alle Politiker daran erinnern, dass bei aller Schärfe der politischen Auseinandersetzung der Respekt vor dem Menschen gewahrt bleiben" müsse. Haider habe als "Politiker im Bund wie in Kärnten in den letzten Jahrzehnten viel in Bewegung gebracht".

Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl (ÖVP) meinte Haider habe "bewegt und gestaltet, durchaus auch mit Widersprüchen". Die Sozialpartnerschaft habe er gefordert, aber damit letztlich auch bewirkt, dass Anstrengungen und Leistungen erhöht worden seien.

Für ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer (SPÖ) hatte Haider "die Stärke, wie ein Barometer die Stimmungen in der Bevölkerung zu erkennen und anzusprechen."

Meist lassen dann auch die kritischen Stimmen nicht lange auf sich warten, die in solchen oder ähnlichen Worten vor allem anderen eine gute Portion Scheinheiligkeit vermuten. Man kann auch deren Argumente ganz gut nachvollziehen: es sei eben nicht gut, die politische Einschätzung zu adaptieren, das Positive zu sehr überzubetonen oder (sehr) kritische Punkte zu verschweigen, nur weil es die gesellschaftlich geübte Norm der Pietät vor einem gerade erst Verstorbenen so gebiete.

Ich möchte diesem Gedanken heute aber einen weiteren hinzufügen: warum gelingt es (uns allen) eigentlich so furchtbar schlecht, einen Menschen und sein Wirken und Werken schon zu Lebzeiten umfassend und differenziert zu würdigen? Mir fallen heute auf Anhieb eine ganze Reihe an wirklich schwerwiegenden politischen Brocken ein, für die Jörg Haider jahrzehntelang gestanden ist und die ich für vorwiegend richtig und positiv halte, oder über die ich mir zumindest eine umfassende, differenzierte Diskussion wünschen würde.

So stand Jörg Haider natürlich ganz klar gegen das System des politischen Proporzes zweier Parteien, die bereits seit den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts nicht mehr in der Lage waren, die vielfältiger werdende gesellschaftliche Realität abzubilden - ein System, das daher immer mehr Menschen nicht nur von einer adäquaten politischen Vertretung und Teilnahme, sondern auch ganz konkret von einer Unzahl an staats- und damit partei(proporz)nahen Entscheidungspositionen ausschloss und vielfach nach wie vor ausschliesst.

Ebenso stand Jörg Haider damit verbunden natürlich auch gegen die in diesem System mitvorhandenen offensichtlichen Missbräuche öffentlicher Gelder, kritisierte lautstark (und vor allem zu Anfang durchaus auch mutig) völlig überzogene Bezüge von Kämmerer- und Gewerkschafts-Multifunktionären, stellte öffentlich das System der mit dem Parteienproporz engmaschig verknüpften Kammer-Zwangsmitgliedschaften in Frage und trat für eine Ausmistung einer vor allem auch den Marktzutritt neuer Selbständiger erschwerenden österreichischen Gewerbeordnung ein.

Nicht zuletzt kritisierte Jörg Haider bereits seit den 1980er Jahren die Überbürokratisierung unseres Gesundheitssystems und forderte unter anderem die Zusammenlegung der neunzehn Krankenversicherungsträger, fünf Pensionsversicherungsträger und vier Unfallversicherungsträger.

Jörg Haider ist plötzlich, unerwartet und vor allem aus menschlicher Sicht auch viel zu früh von uns gegangen. Seine oftmals aggressive Ausländerpolitik und seine bewusst oder unbewusst vielfach unklar gebliebene Haltung in Fragen der Bewältigung der faschistischen Vergangenheit dieses Landes haben es seinen politischen Gegnern sehr schwer gemacht, seine positiven Beiträge bereits zu seinen Lebzeiten angemessen zu würdigen und auch angemessen aufzugreifen.

Er geht zu einem für Österreichs Politik schwierigen aber auch spannenden Zeitpunkt, zu dem nun in allen Parlamentsparteien mit Werner Faymann, Josef Pröll, Eva Glawischnig und Heinz-Christian Strache eine jüngere Generation ans Ruder kommen wird, die es anders machen will. Genau das möchte ich mir daher heute auch wünschen: Ja, macht es anders. Versucht Eure Vorgänger umfassend zu (er)kennen und zu würdigen, und lernt aus ihren Fehlern. Versucht aber auch euren eigenen Weg zu gehen, verfolgt eure eigenen Ziele und macht auch eure eigenen Fehler dabei.

Genau diese Chance es einfach anders zu machen und sich immer wieder neu zu erproben ist es, der jede Generation sich stellen muss. Und genau diese Chance für das ganz Neue ist daher wohl auch ein tieferliegender Grund dafür, warum wir alle am Ende unseres Weges wiederum Platz machen müssen. Dem Neuen Platz machen müssen.

29
Sep
2008

Nur mal angenommen...

... es kommt gar keine Koalition zustande und UHBP Fischer ernennt Dichand Faymann zum neuen Kanzler der Republik und dieser bildet eine Minderheitsregierung aus Sozialdemokraten, vielleicht erweitert um einige Experten und/oder in der Öffentlichkeit angesehene Persönlichkeiten.

Wer unterstützt stürzt denn dann eine solche Minderheitsregierung? Fassen wir mal zusammen: eine solche rote Minderheitsregierung überlebt immer dann, wenn bei einem parlamentarischen Misstrauensvotum gegen sie entweder
  • die ÖVP gerade keine Neuwahl will und nicht mitmacht, oder
  • die FPÖ gerade keine Neuwahl will und nicht mitmacht, oder
  • die Grünen und das BZÖ gerade keine Neuwahl wollen und nicht mitmachen.
Das müsste doch eine gute Zeit zu schaffen sein, Herr Faymann, oder? Zumal Sie ja zudem die Unterstützung nicht nur unseres geschätzten republikanischen Herrn Bundespräsidenten, sondern auch jene der Krone selbst geniessen...

Und wenn Sie es eine schöne Zeitlang schaffen und dabei eine ganze Menge weiterbringen in dieser Republik, dann winkt Ihnen die ganz grosse Belohnung: die SPÖ wird die einzige Grosspartei in Österreich - und das vielleicht für zehn, zwanzig Jahre.

PS: Übrigens, so extrem rechtbehalten wollte ich mit Politik ist brandgefährlich nun auch wieder nicht. Stärken Sie die Grundrechte, Herr Faymann, und verschaffen Sie dem Verfassungsgericht wieder Respekt. Beschränken Sie Ihre eigene Macht. Rechtzeitig. Denn irgendwas Unvorhergesehenes kann immer in die Hose gehen.

26
Sep
2008

Meine Wahl08...

... soll im Sinn des von Feuerhaken gestarteten Endorsement 08 auch kein Geheimnis bleiben. Ich entscheide mich für
diesmal-lifendorsement-08
Leider fehlt mir in einem für mich extrem stressigen September zwar einfach die Zeit, dies ähnlich ausführlich wie die Kolleginnen und Kollegen Feuerhaken, Helge, Oliver Ritter, the flowers are gone, Neitschy - lateral thinker, Lothar Ruttner, Zwischenrufer, Tom Schaffer, Tyndra, Flaneur, Rigardi, Kellerabteil, Andreas Lindinger und Franz Joseph zu begründen, aber was solls: That's just my decision, stupid. (Linklist via)

Man muss ja auch nicht immer so schwafeln wie in Es reicht. Diesmal Grün, mit dem ich zu Beginn des Wahlkampfs in den von Christoph Chorherr initiierten grünen Blogstorm gestolpert bin und meinen Dampf abgelassen hab, der es dann in der von Jutta Reichenpfader illustrierten Form bis in die Abendnachrichten des mit Abstand besten ORF Journalisten geschafft hat.

Das hat Spass gemacht. Noch mehr Spass gemacht hat aber unterm Strich, dass es Heide Schmidt mit einem personell erneuerten und dicht aufgestellten Liberalen Forum heuer nocheinmal wissen will. Wissen will nämlich, ob es trotz heftigem Gegenwind vielleicht doch möglich ist, in diesem Land eine ungeteilt und im besten und menschenfreundlichsten Sinn des Wortes "liberale" Kraft zu positionieren. Es ist die vermutlich für lange Zeit wirklich letzte Chance dafür.

Übrigens: Ginge es nach der Meinung der geschätzten oben genannten Blogger und mir, dann würde es derzeit gar keine Partei ausser den Liberalen und den Grünen ins österreichische Parlament schaffen. Ich würde in so einem Österreich trotzdem dabei bleiben und den Damen und Herren von Rot, Schwarz, Blau und Orange dann gerne und "generös" die 4%-Hürde abschaffen wollen.

Denn ich finde, wirklich jeder sollte in diesem Land seine Chance haben. Und damit ist es mir vollkommen ernst.

Soziale Treffsicherheit...

Was bei der Debatte rund um die sog. "soziale Treffsicherheit" - ich habe Sie übrigens einfach so im Vorbeigehen hiermit als meinen Kandidaten zum Unwort des Jahres nominiert - immer zu kurz kommt, ist, dass es regelmässig verwaltungstechnisch wesentlich kosteneffizienter ist
  • allen Menschen (oder einer klar und einfach abgrenzbaren Gruppe) die Summe A zu geben und
  • vielen Menschen im Rahmen der Finanzierung der Summe A vorher etwas weggenommen zu haben (zB über die Gestaltung von Einkommen- oder sonstigen allgemeinen Steuern)
als
  • einigen Menschen die Summe A zu geben und gleichzeitig
  • weniger Menschen (als oben) im Rahmen der Finanzierung etwas wegzunehmen.
Das hängt schlicht damit zusammen, dass man in der zweiten Variante zusätzlich zur Feststellung der Steuerpflichten (die man in beiden Variante benötigt) irgendeinen Mechanismus braucht, mit dem man feststellt, wem genau die Summe A zusteht. Zudem vergrössert diese Variante aus demselben Grund auch die Notwendigkeit zum Sozial- und Vermögensstriptease bei den hinsichtlich der sozialen Massnahme als "bedürftig" Auserkorenen. Fast jede soziale Massnahme lässt sich aber mit beiden Gestaltungs-Mechanismen verwirklichen - und es lässt sich zeigen, dass der Effekt der bei den Betroffenen "ankommt" mathematisch auf Punkt und Beistrich aufs genau selbe rausläuft.

Weil ich aber möchte, dass der Staat keine unnötigen Kosten produziert, bin ich daher ein Freund der ersten Variante, die eben darin besteht, dass man die Debatte über die (mich heuer schon gehörig nervende) "soziale Treffsicherheit" im wesentlichen nur im Rahmen der Einhebung der Steuern und Abgaben führt, die Leistungen aber allen oder sehr einfach zu ermittelnden Gruppen zukommen lässt. Beispiel Familienbeihilfe: Sie kommt ALLEN Familien zugute und nicht nur den "bedürftigen" Familien. Und das ist eben nicht nur aus politischem "Wollen" begründbar, sondern vor allem auch eine kosteneffiziente "Technik".

Die Politik greift hingegen mit einzelnen Ausnahmen fast immer zur zweiten Variante. Das mag damit zu tun haben, dass man in dieser Variante weniger "Umsatz" benötigt und daher weniger "Nettozahlern" verklickern muss, dass man ihnen zunächst mal etwas "wegnimmt". Da ist es meist einfacher die Bedürftigen mit peinlichen Situationen und Fragen nach ihrer "Bedürftigkeit" zu konfrontieren. Da diese peinliche Befragung aber von irgendjemand durchgeführt werden muss, büssen die formal verschont gebliebenen Nettozahler das natürlich am Ende, weil sie nun auch noch den erhöhten Verwaltungsaufwand berappen müssen...

Oder fallen jemandem noch ganz andere Gründe für dieses Phänomen ein?

21
Sep
2008

Politik ist brandgefährlich.

Wir stehen eine Woche vor der österreichischen Nationalratswahl. Aller Voraussicht nach wird diesmal - um mit den legendär gewordenen Worten des Ex-ORF-Wahlabend-Moderators Josef Broukal zu sprechen - tatsächlich "kein Stein auf dem anderen bleiben".

Noch beschäftigen sich viele von uns netten Citizens mit Fragen wie jenen, ob sie diesmal vielleicht (nochmal) grün oder vielleicht doch (wieder) liberal wählen sollten, ob Alex Zach also vielleicht ein Lump ist oder doch nur ein bissl ein Tolpatsch, ob Hans-Peter Haselsteiner der superreiche Teufel persönlich ist oder vielleicht doch ein zu verehrender Retter von allem noch irgendwie Anständigen in Österreich (inklusive Ute Bock), ob Peter Pilz ein über Leichen gehender Vernaderer und grüner Westentaschen-Haider ist oder doch der unverzichtbare Aufdecker der Nation, und ob die Grünen nun "nachhaltig" aufwachen oder doch nach dem Wahltag wieder wie vielfach erprobt für sichere vier, nein diesmal sogar fünf Jahre entschlummern werden, drohender Klimakollaps quasi hin oder her...

Mit jener grässlich hässlich aus dem TV grinsenden Realität des kommenden Wahlsonntags wollen wir uns freilich noch nicht so recht auseinandersetzen. So sehr wir uns vielleicht wünschen, dass die Liberalen "reinkommen" und die Grünen "zulegen", selbst wenn es so kommt und beides klappt, wird ebenso sicher beides nicht das entscheidende Ereignis des kommenden Sonntags werden. Kommenden Sonntag steigen gemäss allen Umfragen in Österreich zwei ehemalige Grossparteien zu Mittelparteien ab, wohingegen ein nach mehreren Abspaltungen vom nach dem grossen braunen Krieg gebildeten Sammelbecken österreichischer "Parteimitglieder" übergebliebener Haufen mehr oder weniger offen rechtsradikaler Angehöriger der "Kinder- und Enkelgeneration" voraussichtlich zu einer Mittelpartei aufsteigt. Zusammen mit dem gegenüber der Strache-FPÖ fast schon wohltuend wirkenden, aber im Grunde nicht viel weniger grässlich hässlichen Haider-BZÖ wird das "Dritte Lager" in Österreich zur dritten massiv mitbestimmenden Kraft werden.

Also auf in die "Dritte Republik"? Raus aus der EU, wider die Globalisierung, alle Schotten dicht: Asylbetrug heisst Heimatflug. Wen wir nicht gleich loswerden, der kommt vorerst mal ins Ghetto der Sozialversicherung für Ausländer, Juden, Neger, etc. Dann schauen wir weiter.

Niemand wird an ihnen vorbeikommen. Wir stehen wieder dort, wo wir 1999 schon mal waren. Nein, schlimmer. Denn Haider wollte im Grunde vor allem anderen das rot-schwarze "System" liquidieren - und er gründete das BZÖ auch deshalb, weil er mit den krassesten Bierbestellern und Paintballspielern nicht mehr wollte oder konnte... Und wir stehen somit auch nicht gar so weit weg von dort wo Deutschland 1932 war. Auch wenn man das nicht so wahrhaben will. Und man soll auch gar nicht versuchen, solche Entwicklungen "verstehen" zu wollen.

Denn sie finden dann nämlich einfach statt. Erst Schritt für Schritt. Und dann, wenn niemand mehr schreit Ermächtigungsgesetze und geht schon. Wollt ihr den totalen Krieg? Muss "nur" eine gröbere Weltwirtschaftskrise dazukommen, muss "nur" die Arbeitslosigkeit ein bissl weiter raufgehen, muss "nur" die Inflation ein bissl mehr ins galoppieren kommen... moment Mal... Weltwirtschaftskrise? Jobverlust? Teuerung? Kommt uns das irgendwie bekannt vor? Aber haben vielleicht wenigstens die Amis ihre Lektion aus dem Blutzoll der Vätergenerationen besser gelernt als wir hochnäsig-naiven Antiamerikaner in Europa? Man könnte ja aktuell fast meinen, es besteht noch Hoffnung jenseits des Atlantik, wenn nun die Erzrepublikaner im Oval Office runde 1000 Milliarden (1.000.000.000.000) Dollar Steuergeld in die Hand nehmen werden, in etwa das Doppelte des gesamten bisherigen Irak Krieg Budgets, um das Gespenst der sich nach dem schwarzen Freitag von 1929 abwärts drehenden Weltwirschaftsspirale mit grobem Beil gleich beim ersten Vorbeihuschen zu köpfen... sie wissen offenbar, warum sie lieber jetzt gleich zahlen sollten.

Wenn sich die Geschichte wiederholt, was wir alle nicht hoffen, daher sagen wir besser so: wenn die Wiederholbarkeit der Geschichte an die Tür klopft, dann werden wir alle wieder daran erinnert, dass Politik tatsächlich vor allem anderen eines ist: brandgefährlich. Es ist die süsseste Verlockung des politischen Menschen, des von gesellschaftlichem Aufbruch verzückbaren Demokraten, dass er sich ausmalt, was alles mögliche wäre mit dieser demokratisch legitimierten Allmacht, wenn man nur, ja, wenn man "nur" eine Mehrheit der Dumpfbacken von all dem Guten, Edlen, Schönen, was man sich da so erträumt, überzeugen könnte...

Aber nix da. Schon Winston Churchill wusste bekanntlich zu witzeln, dass Demokratie eigentlich "die schlechteste aller Regierungsformen" sei, wir nur eben keine bessere kennen. Und Karl Popper hat das in seiner "Offenen Gesellschaft" systematisch beschrieben: das Beste, das wir uns von der (von ihm vehement vertretenen) Demokratie erwarten dürfen, sei nicht etwa, dass hier richtige oder gute Entscheidungen fallen, sondern lediglich, dass ganz krasse Fehlentwicklungen, solche die wirklich förmlich für jeden augenfällig werden "unblutig beendet" werden könnten. Dass es eine institutionalisierte Chance drauf gibt, Änderungen des offenkundig Falschen ohne jahrzehntelange Knechtschaft, ohne todbringende Revolutionen, ohne Tyrannenmorde herbeiführen zu können. Schon deshalb - und eigentlich aber auch nur deshalb - müsse man leidenschaftlicher Demokrat sein. Alles andere sei aber dann eher dem Zufall überlassen - ich fasse ihn hier sehr frei und aus dem Kopf zusammen - wobei die in einer Demokratie in normalen Zeiten eher zufällig und grundlos wechselnden Mehrheiten dem grossen Ganzen natürlich so abträglich nicht seien: Viele verschiedene blinde Hühner finden sozusagen manchmal irgendein Korn und die nachfolgenden blinden Hühner machen nicht immer alles was möglicherweise richtig gewesen sein könnte gleich wieder rückgängig... auch das also ein grosses Plus der Demokratie... solange es sie eben gibt.

Und obwohl das leider keine Selbstverständlichkeit ist, rufen die vielen, die bei uns scheinbar die einfachsten Lektionen nicht zu lernen imstande sind, nun wieder verstärkt nach dem starken Staat. Und das sind beileibe nicht nur die Ewiggestrigen, nein, gerade auch die aufrechten Demokraten, die Grundguten wollen ihn wieder. Er soll es richten, man muss doch "nur"... genau "nur": daran scheiterts dann.

Ich will ihn nicht. Ich will ihn einschränken, stutzen, denn ich will ihn gerade damit absichern. Ich will starke Menschen-, Grund- und Freiheitsrechte und starke, unabhängige, ja staatliche, Institutionen, die dafür sorgen, dass der Wille der Mehrheit nicht zur Mehrheitswillkür, nicht zur Mehrheitsdiktatur wird. Denn genau das darf eine liberale, auf die Sicherstellung und Wahrung unserer seit ein paar Jahrzehnten "freien" Gesellschaften zielende Demokratie niemals sein. Der starke Staat, selbst wenn er uns heute, hier und jetzt wirklich kurzfristig nützen sollte war immer schon die Basis auf der der nächste Tyrann seine Tyrannei aufbauen konnte. Und bei uns in Österreich grinsen sie heute schon aus den Fernsehern. Noch können wir wegzappen.

Es muss grosse Bereiche geben, in die nicht reingepfuscht wird. Von niemandem. Auch nicht von irgendeiner Mehrheit. Das ist für mich die Hauptlektion, die wir lernen müssen. Und die impliziert dann aber auch, dass wir uns vom allzu heftigen Träumen von staatlichen oder superstaatlichen, am grünen Tisch oder Reissbrett entworfenen Lösungen für unsere aktuellen Probleme sukzessive verabschieden müssen. Die mit starken Staaten verbundenen Gefahren sind schlicht zu gross.

Vor allem aber: es wird die ersehnten Reissbrett-Lösungen so ohnehin nicht geben. Was eben nicht heisst, dass es keine Lösungen geben wird. Lösungen entstehen durch Innovation ganz Weniger und massenhafter Nachahmung ganz Vieler. Das ist es, was wir aus der Beobachtung der uns hoffentlich noch lange beherbergenden Natur in erster Linie lernen könnten... das ist es, worauf wir in erster Linie vertrauen müssen, das ist es, was wir - so irgendein politisches Huhn mal ein Korn findet - stärken sollten.

Die Hoffnung darauf stirbt dann bekanntlich zuletzt. Auch meine.

26
Aug
2008

Bananenrepublik Österreich.

Und wiedermal trägt uns der Wolf eine dieser Bananen über die Brücke, nur um sie uns Affen zum Fraß vorzuwerfen:

http://zib.orf.at/zib2/wolf/stories/302742/

Friss uns doch lieber auf, Wolf, wir wollen nicht länger leiden...

11
Aug
2008

Weg mit den Radio Buttons.

So, jetzt bin ich ja schon mal in Abschaffer-Laune (Weg mit der 4% Hürde), und werde natürlich nicht ganz zu Unrecht kritisiert, dass dies ja aber wohl nichts am politischen Grundproblem Österreichs ändere: ein emotionalisiert-spinnertes Potential von 20% der Wähler wählt einen gegen seine eigenen Interessen agierenden rechten Rand.

Daher möchte ich heute mal eine eher unbekanntere Wahlrechtsvariante andiskutieren, die meiner Ansicht geeignet wäre, an diesem politischen Grundproblem Österreichs zumindest so weit zu drehen, dass zwar wohl deshalb nicht sofort Heilung einträte, aber doch ein lebenslanges Leben mit der Krankheit möglich werden würde. Und das ohne die durch ein Verhältniswahlrecht sichergestellte politische Pluralität einfach per Mehrheitswahlrecht abzuschaffen...

Das ganze geht so: Herkömmliche Wahlen funktionieren bekanntlich so wie die runden "Radio Buttons" - denn diese lassen einem nur genau eine (oder eben keine) Wahl:

screen-capture-5

Demgegenüber die wesentlich grosszügigeren, eckigen "Check Boxes": bei ihnen darf man soviel ankreuzen, wie man eben möchte. Und so könnte ein Wähler im Rahmen einer so funktionierenden Wahl auch einiges mehr ausdrücken, er könnte zB seine präferierte Koalition wählen, er könnte natürlich weiterhin ausschliesslich seine Lieblingspartei wählen oder er könnte zB auch sagen: im Grund ist mir alles eher wurscht, aber bittschön nicht die Affen vom rechtsrechten oder linkslinken Rand:

screen-capture-6

Das ganze nennt sich dann konsequenterweise Zustimmungswahlrecht, weil man eigentlich nicht mehr (aus)wählt, sondern eher abwägt, wievielen und welchen Wahlvorschlägen man seine Zustimmung erteilen oder eben verweigern möchte. Ein guter Startpunkt für genauere Infos findet sich im englischsprachigen Wikipedia: http://en.wikipedia.org/wiki/Approval_voting.

Was spannend ist: die wissenschaftliche Auseinandersetzung hat nicht nur gezeigt, dass dieses Wahlsystem erstaunlich resistent gegenüber taktischem Wählen ist, sondern auch, dass kompromissverweigernde politische Ränder um einiges schlechter abschneiden als im herkömmlichen Verfahren. So konnte man zB im Rahmen eines Experiments während der französischen Präsidentschaftswahl 2002 zeigen, dass der strammrechte Jean-Marie Le Pen mit diesem Verfahren nicht in die Stichwahl gegen Jacques Chirac gekommen wäre, sondern im ersten Wahlgang nicht nur hinter Jospin, sondern auch hinter Bayrou an der erst vierten Stelle gelandet wäre.

Undemokratisch? Ganz im Gegenteil. Trotz seiner dem herkömmlichen System ebenbürtigen Einfachheit reicht dieses System in seiner Ausdruckskraft an diverse Reihungs- und Punktewahlverfahren heran - und genau diese Ausdruckskraft ist übrigens auch die plausible Begründung dafür, dass der kompromissfähige Kandidat, die kompromissfähige Partei hier die besseren Karten hat: das herkömmliche Wahlsystem ist - überspitzt formuliert - heutzutage auf den Extremisten zugeschnitten: besonders er ist es, der eine starke Präferenz für eine ganz bestimmte Partei hat und diese Haltung daher bei unseren üblichen "Radio-Button-Wahlen" auch perfekt zum Ausdruck bringen kann. Gar nicht zum Ausruck kommt jedoch die ebenso berücksichtigenswerte besonders starke Ablehnung solcher Kandidaten oder Parteien durch alle anderen Wähler!

Dass die Summe der inneren, feinschattierten Präferenzen aller Wähler im Zustimmungsverfahren wesentlich besser, und daher im Endeffekt demokratischer zum Ausdruck gebracht werden kann sieht übrigens neben einigen anderen auch die Mathematical Association of America so, die das Verfahren konsequenterweise für ihre vereinsinternen, demokratischen Wahlen eingeführt hat.

Die amerikanischen Mathematiker sagen uns armen Österreichern damit durch die Blume find ich auch sowas wie: eigentlich seid ihr ja politisch in Wahrheit gar nicht so arg dumm wie ihr denkt, sondern vielleicht auch ein besonders augenfälliges Opfer eines überkommenen Wahlverfahrens: dieses stammt aus einer Zeit, in der fast jeder für sich ganz genau und fest wusste, dass es am Wahltag im Grunde eh nur eine ganz bestimmte Wahl geben "könne"... dieses Wahlverfahren solltet ihr daher mal ganz genau unter die Lupe nehmen... mehr Ausrucksmöglichkeiten und damit "mehr Demokratie" könnten tatsächlich den entscheidenden Unterschied machen.

1
Aug
2008

Weg mit der 4% Hürde.

Gerade mal zurück aus dem Off, bin ich doch gleich mal recht erfreut über diesen Beitrag. Die Vorstellung, dass in Österreich vielleicht auch 7 Parteien im Parlament vertreten sein könnten werde laut Chorherr immer wieder assoziiert mit "Chaos, Unregierbarkeit, Niedergang", kurz mit sog. "italienischen Verhältnissen". Schaue man sich aber international um, dann entpuppe sich das de facto als Halbwissen: denn mit die stabilsten und vorbildlichsten nordeuropäischen Demokratien hätten eben in Wahrheit mehr Parteien in Parlament und Regierung als Österreich.

Ich möchte das angeführte Beispiel Holland ein wenig herausgreifen, weil ich das Land und sein politisches System etwas besser kenne. Die Niederlande sind auf dem von der Zeitschrift "Economist" erstellten Demokratieindex auf Rang 3 zu finden - und so sieht ihr aktuelles Parlament aus:

niederlande-wahlen-2006

Im Kontext wichtigster Punkt im Vergleich zum vom Economist im Mittelfeld der "funktionierenden Demokratien" eingereihten Österreich: die Niederlande kennen keine Mindesthürde beim Einzug ins Parlament. Mit rund 0,67% erreicht man das erste Mandat. Wenn man landesweit genug Wähler für ein Mandat hat, dann darf man dieses auch wahrnehmen. Demgegenüber Österreich: Mandate gibts im wesentlichen erst, wenn man landesweit genug Wähler für rund 7 Mandate hat (oder in einer bestimmten Region rund 25% der Stimmen). Gerecht?

Wenn nicht gerecht, dann vielleicht aber notwendig? Die Folge des Fehlens einer Mindesthürde sind in Holland jedenfalls keinerlei "italienischen Verhältnisse": es dominieren seit jeher die drei Parteien CDA, PvDA und VVD, die inhaltlich in etwa grob mit den bundesdeutschen Parteien CDU, SPD und FDP vergleichbar sind. Es gibt aber immer ein paar zusätzliche, öfter auch wechselnde Kleinparteien, die dadurch für eine Legislaturperiode die Chance bekommen, sich zu profilieren und oft beim nächsten Mal wieder rausfliegen oder stark dezimiert werden. Manchmal, so auch 2006, gehen eine oder mehrere Kleinparteien massiv gestärkt aus dem Wahlgang hervor, wenn die allgemeine Unzufriedenheit mit den etablierten drei Grossparteien einen Höhepunkt erreicht. Das Land wird dadurch keineswegs unregierbar, im Gegenteil, denn von der Unregierbarkeit mangels Alternativen kann Österreich ja ein Lied singen: gerade die Vielfalt der Koalitionsmöglichkeiten macht diese Demokratie lebhaft und inhärent "stabil" gleichzeitig.

Die wenigen Perlen unter den Neugründungen wurden mitunter auch trotz wechselhafter Geschichte zum dauerhaften Bestandteil des politischen Systems - eben weil ihnen der Genickbruch durch einen mehr oder minder "zufälligen" Parlamentsrauswurf erspart bleibt. Beispiel: Die in der obigen Grafik durchaus zu Recht genau in der Mitte angeführte niederländische linksliberale D66 kann seit ihrer Gründung in den studentisch bewegten 1960er Jahren auf eine wechselhafte Geschichte, mehrere Regierungsbeteiligungen und Wahlergebnisse zwischen 2% und 15,5% zurückblicken. Ganz wichtiger Punkt für diese Partei: ein 2% Tiefstand, wie derzeit durch die aus Parteisicht glücklos verlaufene letzte Regierungsbeteiligung verursacht, ist noch kein Todesstoss. Man formiert sich neu und ersucht den Wähler beim nächsten Mal eben um entsprechende Neubewertung des Angebots...

Die Niederlande sind für mich das augenfälligste Beispiel dafür, dass ein Verhältniswahlrecht keinerlei Mindesthürde benötigt, um "italienische Verhältnisse" zu verhindern - eine solche Hürde benötigt allenfalls Italien selbst. "Italienische Verhältnisse" entstehen nicht durch ein zu durchlässiges Verhältniswahlrecht, sondern durch eine aus vielfältigen Gründen historisch gewachsene politische (Un-)Kultur.

Und unsere historisch gewachsene politische (Un-)Kultur in Österreich leidet aber eben nicht an zuviel Instabilität sondern, wenn man so will, an zuviel Stabilität: neue Ideen haben zuwenig Chance vorgetragen werden zu dürfen, gehört zu werden, vielleicht sogar aufgegriffen zu werden.

Blickt man zB auf die ersten Wahlergebnisse der österreichischen Grünen, dann ist ihnen ein früher 4%-Genickbruch eigentlich aus reinem Zufall erspart geblieben: 1986 4,82 %, 1990 4,78 %, 1994 7,31 % und 1995 gleich wieder runter auf 4,81 %. Hätten wir in Österreich statt unserer 4% Hürde gar eine 5% Hürde wie es sie in Deutschland gibt, dann gäbe es vermutlich auch keine etablierte grüne Partei. Einen so langen (finanziellen) Atem hat niemand, kann schon gar niemand haben, der keinen entsprechend potenten Geldgeber hinter sich hat. Dem Versuch der Etablierung einer klassisch-liberalen Partei wurde nach (durch Heide Schmidts Bekanntheitsgrad und Hans-Peter Haselsteiners Geld) erfolgreichen Wahlgängen 1994 (6%) und 1995 (5,5%) aufgrund etwas weniger Glücks bei der Nationalratswahl 1999 dann tatsächlich das Genick gebrochen: das LIF flog mit 3,7% (oder umgerechnet immer noch genug Stimmen für rund 6-7 Mandate in Holland) aus dem österreichischen Parlament.

Also: Gerecht? Notwendig? Fiele irgendjemand ein Stein aus der Krone, wenn 2008 die KPÖ ein Mandat bekäme, Fritz Dinkhauser vielleicht vier und Heide Schmidt zum Beispiel drei? Daher: Weg mit der Mindesthürde. Sie schadet dem politischen Wettbewerb, indem sie kleinen, neuen Parteien entweder erst gar keine Chance lässt oder aber nach kurzer Zeit aufgrund mehr oder weniger zufälliger Ergebnisse den Garaus bereitet. Sie verursacht, dass das spontane Auftreten von Bürgerplattformen ohne grossem Geldgeber im Hintergrund von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Sie führt weiters dazu, dass kleine Parteien mit einer Regierungsbeteiligung ganz zu Recht grosse Existenzängste verknüpfen und daher nur logisch vor allzugrosser Verantwortung zurückscheuen.

Und sie schadet mit alldem unserem politischen System massiv.

PS: By the way, man muss natürlich die Abschaffung fordern, um vielleicht eines Tages eine Senkung auf 2% zu bekommen.

16
Jul
2008

Off...

wird mein Fernseher bei exakt 70% der vom ORF heute angekündigten Wahlkampf Doppelconferencen sein - genau 7 von 10 Sendungen werden nämlich aufgrund der blau-orangen Spaltpilze unter Beteiligung einer dieser beiden Gruppen stattfinden und somit inhaltlich für mich völlig obsolet sein. Allein die durch diesen Zustand verursachte krasse Verzerrung der Themenauswahl ist ein seit langer Zeit gewichtiges Manko der TV-Wahlkämpfe österreichischen Zuschnitts. Also bleibt mir nur die Verweigerung.

Somit reduziert sich mein Zeitaufwand mit diesem Wahlkampf also gleich mal um gute 7 Stunden - da gehen sich dann locker zwei gute Bücher aus dafür. Das ist daher auch mein kleiner Vorschlag für all jene grundsätzlich an Politik interessierten unter Euch, die ihren Fernseher so wie ich (noch) nicht für immer ins Off befördert haben: widersagt dem Spektakel! :) Entzieht euch eurem inneren Schweinehund und beweist Euch selbst: ihr braucht diesen Zirkus nicht wirklich.

So - und jetzt noch Off topic in eigener Sache: jetzt geh ich nämlich auch mal ins Off für eine Weile, bin Off-Line, Off-Road, Off-Civilisation quasi. Und bis zumindest Anfang August gibts daher hier sicher keine Stimme aus dem Off. Und dann: na schaumamal wie langs dauert bis ich mich wieder in Österreich integrieren werde... bin dann nämlich meist eine ganze Weile ziemlich integrationsunwillig...

Und off jetzt.

Aufmerksamkeit ist alles?

Mmh..., MEL Performance war ja weniger berauschend, wie wärs daher nächstes Mal vielleicht mit den Airports? Noch sicherer als ein Sparbuch?

meinl-ausschnitt
(Klicken zum Vergrössern)

Ganz nettes Beispiel dafür, was kontextsensitives Advertising so alles mit einem machen kann. Fokus aufs Produkt, Leute, sonst ists nämlich vielleicht besser, man spart sich das Marketing Budget...

(Gefunden im Online-Standard, mit Dank an Hannes)

15
Jul
2008

Eine Scheibe ZIB2 mit CHiLLi.cc.

Gestern Abend strahlte die ZIB2 einen interessanten Wahlkampf-Beitrag aus (Avancen in Richtung Grün), in dem u.a. auch ausführlich über Christoph Chorherrs Blogstorm Aktion "Grüne Plakate" berichtet wurde...

blogstorm-zib

... und im Anschluss dann ein von beiden Seiten sehr schlau geführtes und damit für mich politisch durchaus vielversprechendes Wolf-Interview mit Alexander van der Bellen.

Und heute erschien dann auf CHiLLi.cc ein ausführlich recherchierter Beitrag samt Ansichtssache und Interview-Zitaten einer ganzen Reihe an beteiligten Bloggern, u.a. auch von mir selbst, der ich ja nicht nur ins sogenannte Web 2.0, sondern auch in diese Aktion so irgendwie unzufrieden-grummelnd hineingestolpert bin. Mein dann zwischen Tür und Angel geborener, und in ganz ungeplanter Koproduktion mit Jutta Reichenpfader über Nacht in Bildsprache übersetzt gewesener vollständiger Beitrag zu diesem Aufruf:

gruenplakat3gruenplakat1gruenplakat2wahlplakate4

Und finally, entnommen wurden die CHiLLi.cc-Zitate einem Interview mit mir, im folgenden als Ergänzung der (hier ungekürzte) Text für

chilli

CHiLLi.cc: Wie bist du zu der Aktion von Christoph Chorherr gekommen? Wie ich gesehen habe, wurden deine Ideen ja recht schnell mit Hilfe von Jutta Reichenpfader verbildlicht. Möchtest du die Grünen aktiv unterstützen?
maschi: Interessant ist vielleicht, dass ich bisher weder Christoph Chorherr noch Jutta Reichenpfader persönlich kenne. Das sollten wir demnächst zwar vielleicht mal nachholen, verleiht uns aber dafür in diesem Augenblick jetzt so eine echte Web 2.0 Aura, oder?

Aber von vorn: eigentlich bin ich über die Auseinandersetzung mit Christoph Chorherr erst zum Bloggen gekommen. Obwohl ich als Software-Professional im Web Applications Umfeld tätig bin und eine grosse Affinität zum Web generell habe, muss ich zugeben, dass ich mich dafür eher zögerlich ins Web 2.0 Umfeld hineinbewege. Dass ich bereits zweifacher Vater und Mitte 30 bin macht mich zwar hoffentlich noch nicht zum trägen, alternden Knacker, aber meine Aufmerksamkeit richtet sich mittlerweile nicht mehr nur und ausschliesslich auf alles Neue im Web. Und das ist ja eigentlich auch irgendwie ganz gut so.

Da ich aber politisch interessiert bin und Chorherr für mich bei den Grünen in Summe doch sowas wie eine Lichtgestalt ist, habe ich also irgendwann angefangen, regelmässig bei ihm hineinzuposten. Das war so kurz nach der Wiener Gemeinderatswahl 2005. Er hat mich dann viel später mal in einem Interview als seinen kritischsten Kommentator bezeichnet - aber das hängt wohl eher weniger damit zusammen, dass ich ihn ständig "abwatschen" möchte, sondern mehr damit, dass mich die vielen denkbar gewesenen unkritischen Statements nicht so sehr interessieren und er es eben auch wert ist, dann und wann "abgewatscht" zu werden. Wen man so gar nicht schätzt, an dem reibt man sich ja nichtmal, oder? Und ich versuche zumindest auch selbst einstecken zu können, muss aber sicher nicht soviel einstecken können wie er.

Ob ich die Grünen aktiv unterstützen möchte? Mich interessieren politische Inhalte. Ich setze mich mit politischen Fragen in dem Sinn auseinander, dass ich sie "lösen" möchte für mich, in dem Sinn, dass ich meine Position auslote, finde und wo es mir notwendig erscheint auch laufend verbessern können möchte. Ich finde bei allen drei vernünftigen Parlamentsparteien Inhalte mit denen ich etwas anfangen kann - gleichzeitig sehe ich aber auch bei allen dreien massive Mängel - wichtige Themen, die nicht mit ausreichendem Tiefgang abgedeckt werden, so zB im Bereich der Weiterentwicklung unserer Demokratie oder etwa bei der Frage, ob und wie uns zB ein Grundeinkommen dabei helfen kann, die Herausforderungen der Globalisierung zu meistern, ohne dass wir der Versuchung unterliegen, die damit verbundene Dynamisierung all unserer Lebensumstände zurückdrehen zu wollen.
CHiLLi.cc: Was hältst du von der Idee von Christoph Chorherr? Muss/sollte in Zukunft das Internet im österreichischen Wahlkampf eine größere Rolle spielen? Wie hoch schätzt du überhaupt die Reichweite und den Erfolg von solchen Aktionen ein?
maschi: Die Idee an sich ist grossartig und kann als Vorstoss mal gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. So wie mein profilierter Blogger-Kollege Helge Fahrnberger in seinem Beitrag vom Samstag angedeutet hat, sehe auch ich solche Schritte in einem grösseren Zusammenhang: eine heute wirklich greifbare und für immer mehr be-greifbare Formen annehmende Zivilgesellschaft beginnt immer stärkere demokratische Partizipation einzufordern. Über die konkreten Formen dieser Partizipation kann man trefflich streiten, aber die generelle Tendenz, die Entwicklung dorthin ist - so glaube ich - nicht mehr aufzuhalten.

Das Internet *wird* von Wahlkampf zu Wahlkampf eine immer grössere Rolle spielen. Ausgehend von dieser meiner Überzeugung ist es mir dann relativ egal, ob Reichweite und Erfolg solcher Aktionen Politiker heute bereits beeindrucken können. Es handelt sich um eine exponentielle Kurve. Wer den entscheidenden Punkt der Beschleunigung dieser Entwicklung versäumt, wird früher oder später - und rein subjektiv dann sehr plötzlich - nur noch die Staubwolke der Zivilgesellschaft von hinten wahrnehmen. Wann genau das sein wird? Da wir es alle miteinander nicht wissen, lassen wir uns doch einfach überraschen und tragen bis dahin das unsrige dazu bei, dass es nicht mehr allzu lange dauert.
CHiLLi.cc: Bist du dann - in Hinblick auf die vorherige Frage - Teil eines kreativen Marketing-Gags oder denkst du, werden die Grünen die Ideen der Blogger tatsächlich aufgreifen?
maschi: Nun ja, im Hinblick auf meine vorherige Antwort: Sollte ich als Teil eines kreativen Marketing Gags gesehen werden, dann stehen die Grünen momentan auch noch unter jenen, die den erwähnten kritischen Punkt der Beschleunigung potentiell versäumen werden. Insofern wird schon eine interessante Signalwirkung davon ausgehen, wie man mit solchen Ergebnissen umgeht. Aber ich denke auch, dass wir - die Blogger Community, wenn man so will - uns nicht darauf versteifen sollten, dass hier gar irgendwas 1:1 übernommen wird. Wir haben einen freiwilligen Beitrag geleistet und grundsätzlich finde ich kann ein Beschenkter mit seinem Geschenk tun und lassen, was auch immer er möchte. Wäre ich der Beschenkte würde ich mich sehr freuen und jetzt mal die Profis dranlassen und das alles abgleichen mit weiteren Überlegungen - die derzeit im Web sehr aktiv Werkelnden sind wohl nur ein Ausschnitt der Zielgruppe, man kann sie aber sehr wohl als sowas wie eine wichtiger werdende Gruppe an neuen Opinion Leadern sehen. Wahrscheinlich würde ich als Beschenkter aber auch darauf achten wollen, dass die Profis nicht nur aus einem Profilierungsnotstand heraus hier was allzu vorschnell ganz kübeln.
-- Update

Auch Helge veröffentlicht sein vollständiges Interview mit CHiLLi.cc.

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Nun berichtet auch Oe24 zumindest kurz über die Aktion.

-- Update

Und nun auch Toms Antworten. Ich finds ja auch als kleines soziales Experiment in Summe recht spannend, wie ähnlich hier gedacht und argumentiert wurde...

12
Jul
2008

Cool...

Wenn sich da jemand quasi über Nacht die Arbeit macht und meine Slogans in Bildsprache übersetzt, dann sage ich natürlich schon sehr gerne: danke Jutta Reichenpfader und Christoph Chorherr!

Mir täts durchaus taugen so, wobei ich persönlich die smarte, klare Textsprache von smi ebenfalls sehr ansprechend finde und er mich wohl auch mit seiner Ansage "Eine grosse Koalition wird wieder scheitern." besonders inspiriert hat. Mal schauen, wie das also alles weitergeht...

gruenplakat3

gruenplakat1

gruenplakat2

wahlplakate4
bastille

brainstorming the bastille?

Geistig erstarrten Bastionen begegnen wir nicht nur in der Politik, sondern beinah überall... nicht zuletzt auch in uns selbst. Und so bleibt aber die ständige Herausforderung, sie immer wieder neu zu erstürmen.

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Just wanted to say Hello!
It's amazing in favor of me to have a website, which...
http://www.healthraport.de/ratschlage/a,men-solution-plus-losung-fur-echte-manner.html (Gast) - 20. Sep, 13:12
filtergeräte für raucherlokale
dieser ganze zirkus von wegen kampf gegen raucherlokale...
wallenstein (Gast) - 23. Feb, 11:04
Danke für diesen Blog...
Danke für diesen Blog - ist mir immer wieder ein Vergnügen...
shaman (Gast) - 2. Dez, 11:56
alles gute! des rätsels...
alles gute! des rätsels lösung: machs wie ich. ich...
Tom Schaffer (Gast) - 29. Nov, 22:57
Alles Gute
habe dich gerne gelesen. wenn auch nicht immer kommentiert.
weltbeobachterin (Gast) - 29. Nov, 16:46
Besserwisser ist das...
oder ich habe es falsch angewendet. Nicht im Sinne...
weltbeobachterin (Gast) - 29. Nov, 16:40
Zuerst mal alles Gute...
Zuerst mal alles Gute zum Geburtstag! Ich kenne das...
Thomas (Gast) - 28. Nov, 17:24
zum falsch verstehen
Muss mich jetzt doch nochmal dazu äußern... "weltverschwöru ng...
shaman (Gast) - 27. Nov, 14:47
naja, ich muss mich auch...
naja, ich muss mich auch öfter mal über ihn wundern...
maschi - 26. Nov, 22:14
sorry
aber Misik ist für mich ein rotes Tuch. Ich kann seine...
weltbeobachterin (Gast) - 26. Nov, 19:44

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